Süddeutsche Zeitung

Korruptionsprozess gegen Formel-1-Chef:Gribkowsky belastet Ecclestone massiv

Lesezeit: 3 min

"Görhard" packt aus: Hauptzeuge Gribkowsky wird plötzlich konkret und bringt Formel-1-Chef Ecclestone in dessen Schmiergeldprozess in Bedrängnis. Ecclestone habe ihm eine "Karotte" hingehalten - und er habe zugeschnappt.

Aus dem Gericht von Christoph Giesen und Klaus Ott

Bernie Ecclestone kommt am Dienstagmorgen um 9.30 Uhr in der Saal A 101 des Münchner Landgerichts, auf die Minute pünktlich, seine Übersetzerin und seine Anwälte lächeln ihm zu. Er scheint guter Dinge zu sein. Eine Stunde später sieht es schon wieder ganz anders für ihn aus.

"Wir sind überrascht ob dieser Wendung", sagt die Verteidigung des Formel-1-Chefs. Beim Schmiergeldprozess gegen den 83-jährigen Briten sagt der Hauptzeuge der Staatsanwaltschaft, der frühere Banker Gerhard Gribkowsky, plötzlich ganz anders aus als noch in seiner Vernehmung am vergangenen Freitag. Der Ex-Vorstand der BayernLB wird viel konkreter und belastet den Renn-Boss, seinen früheren Gegenspieler, nun sehr massiv.

Gribkowsky erzählt, er habe nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Ecclestone in dessen Londoner Büro im Frühjahr 2005 nicht mehr "mit der gleichen Härte" die Interessen der BayernLB in der Formel 1 wahrgenommen wie zuvor. Der Brite habe gesagt, "I'll take care of you", ich werde für dich sorgen. Der Renn-Boss habe zum Ausdruck gebracht, er werde einen Käufer für den Anteil der Bayerischen Landesbank an der Formel 1 suchen, "er kümmert sich darum". Gribkowsky fährt fort, er sei damals eben "unangenehm", also lästig für Ecclestone gewesen. Das habe der Brite ändern wollen.

War das also der Grund dafür, dass Ecclestone seinem Widerpart "Görhard", wie er Gribkowsky nannte, später viele Millionen Euro zukommen ließ? Später, das war, nachdem die dem Briten so lästige BayernLB als Hauptgesellschafter aus der Formel 1 ausgeschieden war. Nachdem die Landesbank ihre Anteile per Vertrag vom Herbst 2005, ein halbes Jahr nach dem Vier-Augen-Gespräch in London, an die von Ecclestone aufgetriebene Investmentgesellschaft CVC veräußert hatte. Waren die insgesamt 44 Millionen Dollar, die von Ecclestone und von der Familienstiftung Bambino seiner damaligen Frau und der beiden Töchter kamen, also in der Tat Schmiergeld? Schmiergeld, mit dem der Brite seine Macht im Motorsport-Spektakel sichern wollte, wie von der Münchner Staatsanwaltschaft behauptet?

"Schwierig, mühsam und schmerzhaft"

Jetzt sieht es plötzlich nicht mehr so gut aus für den Angeklagten wie noch am Freitag, als der Zeuge Gribkowsky eher vage ausgesagt hatte. Der Ex-Banker erklärt, es sei für ihn eben "schwierig, mühsam und schmerzhaft", sich erneut mit diesen Themen zu beschäftigen, die er gerne hinter sich gelassen hätte. Gribkowsky war Mitte 2012 vom selben Gericht, vom selben Richter Peter Noll, wegen Bestechlichkeit und anderer Delikte zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Inzwischen hat er Freigang und einen neuen Job: "Jetzt versuche ich, mein Leben wieder in den Griff bekommen."

In der Nacht von Sonntag auf Montag, erzählt Gribkowsky, sei er aufgewacht und habe sich daran erinnert, was Ecclestone ihm einmal entgegengehalten habe. Er, der eigentliche Formel-1-Chef, wolle "nicht immer Papi fragen", die BayernLB eben. Die Landesbank, der nach der Pleite des Medienmagnaten Leo Kirch plötzlich dessen Anteil an der Rennsportserie als Pfand für einen Milliardenkredit zugefallen war. "Wir waren ein lästiger Gesellschafter, und ich war der Repräsentant", sagt Gribkowsky. "Dieser lästige Gesellschafter musste weg."

"Wo liegt die Schmerzgrenze?"

Der ehemalige Banker berichtet, der Formel-1-Chef habe ihm und der BayernLB wiederholt eine Karotte hingehalten, sie dann wieder weggezogen, dann wieder hingehalten, so habe Bernie Ecclestone immer verhandelt. Bei dem Gespräch in London habe er, Gribkowsky, dann "die Karotte geschnappt". Er habe das Angebot angenommen, dass Ecclestone für ihn sorgen werde. "In der Erwartung, es würde mir eine andere Zukunft ermöglichen." Eine bessere Zukunft. Das brachte dem langjährigen Banker erst viel Geld und, als die heimlichen Millionenzahlungen aufflogen, Gefängnis ein.

Jetzt, berichtet der Zeuge, versuche er, sich ins Leben zurückzukämpfen. Und dazu gehöre für ihn auch, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Die führt viele Jahre zurück, bis nach Singapur. Der asiatische Stadtstaat sei der "letzte sichere Hafen", habe ihm der Renn-Manager erklärt und ihm 80 Millionen Dollar angeboten. Er, Gribkowsky, habe das Angebot so verstanden: Ecclestone stellt in Singapur Geld bereit, das der Banker dann als Sicherheit benutzen könne, um einen Kredit aufzunehmen. Der Zeuge erzählt, das sei ihm vorgekommen wie ein "Testen der Wassertemperatur", wie ein Verführungsversuch: "Ist er empfänglich, wo liegt die Schmerzgrenze?"

Auf solch eine dubiose Konstruktion habe er sich nicht einlassen wollen, sagt Gribkowsky. Aufschlussreich ist, was der Ex-Banker unter dubios versteht. "Ich wollte nicht dauernd mit dem Köfferchen von Singapur fliegen." Er habe Ecclestone signalisiert, wenn überhaupt so etwas in Frage käme, dann auf Basis einer vertraglichen Grundlage. Dazu kam es erst später, nach dem Vier-Augen-Gespräch in London, das am 17. Mai 2005 stattgefunden haben soll. Dieser Termin findet sich jedenfalls in den Kalendern von Gribkowsky und seiner damaligen Sekretärin bei der Landesbank. Als das Gericht diese Kalender in Augenschein nimmt, kommen sich Ecclestone und Gribkowsky am Richtertisch ganz nah. So nah, wie schon seit Jahren nicht mehr. Gribkowsky würdigt seinen Gegenspieler keines Blickes.

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