Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsweise:Deutschland steht vor mageren Zeiten

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Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Alexander Hagelüken

Die Deutschen müssen sich auf magere Zeiten einstellen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung rechnen die sogenannten Wirtschaftsweisen damit, dass sich die Konjunktur auch 2020 nicht erholt. Kalenderbereinigt werde die deutsche Wirtschaft nur um 0,5 Prozent wachsen, genauso schwach wie dieses Jahr.

Der lang anhaltende Aufschwung ist vorerst zu einem Ende gekommen, befindet der Sachverständigenrat in seinem Gutachten, das er am Mittwoch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) übergibt. Zwar gehen die Ökonomen nicht von einer tiefen Rezession aus. Sie sehen aber eine länderübergreifende Schwäche der Industrie. Den in Deutschland traditionell starken Export trifft demnach die Eintrübung der Weltwirtschaft. Dazu tragen besonders der geplante britische EU-Austritt und die von US-Präsident Donald Trump losgetretenen Handelskonflikte bei.

Die USA erheben auf Importe aus China inzwischen einen durchschnittlichen Zoll von 21 Prozent, sieben Mal so viel wie Anfang vergangenen Jahres. Der Welthandel, lange Motor des deutschen Booms, dürfte heuer um ein halbes Prozent schrumpfen. Die anhaltende Unsicherheit bremst überall die Investitionen der Unternehmen.

Noch 2018 wuchs das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent. Für dieses Jahr sagen die Wirtschaftsweisen nur noch ein halbes Prozent voraus, wie andere Prognostiker. Skeptischer als andere zeigt sich der Sachverständigenrat dagegen für das kommende Jahr. Die deutschen Wirtschaftsinstitute, der Weltwährungsfonds und die Brüsseler Kommission erwarten 2020 1,1 bis 1,4 Prozent Wachstum. Die Sachverständigen gehen nur von 0,9 Prozent aus. Zieht man davon die ungewöhnlich geringe Zahl an Feiertagen und große Zahl an Arbeitstagen im kommenden Jahr ab, bleibt nur ein halbes Prozent - wie dieses Jahr.

Die fünf Wirtschaftsweisen sehen unterschiedliche Trends. Während die Industrie in einer Rezession stecke, erwiesen sich Dienstleister als stabil. Nun sei es entscheidend, ob der bisher noch solide Arbeitsmarkt und die Binnennachfrage von der negativen Entwicklung erfasst würden. Außerdem sehen die Ökonomen erhebliche internationale Risiken. Insbesondere eine weitere Eskalation der Handelskonflikte würde die exportorientierte deutsche Wirtschaft empfindlich treffen. US-Präsident Trump will bis 14. November entscheiden, ob er europäische Autos mit Strafzöllen von bis zu 25 Prozent verteuert.

Es herrscht noch immer nahezu Vollbeschäftigung

Die Bundesregierung ist uneins, wie sie auf den Abschwung reagieren soll. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat im Bundestag betont, dass die Bundesrepublik gut gerüstet sei, im Falle einer Rezession mit einem Milliardenpaket dagegenzusteuern. Scholz lehnt aber zum jetzigen Zeitpunkt zusätzliche Maßnahmen ab.

Die staatlichen Einnahmen sind weiter auf Rekordkurs, es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Vor allem die Union fordert stimulierende Maßnahmen, sie macht etwa die Zustimmung zur Grundrente davon abhängig, ob die SPD sich bereit erklärt, die Unternehmensbesteuerung drastisch zu senken - wie das in den USA und Frankreich geschehen ist. Unionspolitiker wie Gesundheitsminister Jens Spahn und CSU-Chef Markus Söder hatten zuletzt eine Reform der Unternehmensbesteuerung gefordert.

Scholz lehnt einen Steuerdumping-Wettbewerb ab. An diesem Mittwoch soll das Bundeskabinett dagegen die staatliche Forschungsförderung beschließen. Sie soll Unternehmen unterstützen.

Skeptischer als andere Ökonomen sind die Wirtschaftsweisen auch außerhalb Deutschlands. Für die Euro-Zone erwarten sie dieses und kommendes Jahr nur 1,1 beziehungsweise 1,2 Prozent Wachstum. Das ist deutlich weniger als etwa die Brüsseler EU-Kommission.

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