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Ingrid Hengster wird nun doch nicht KfW-Chefin. Scheiterte sie an einem Männer-Netzwerk?

Von Meike Schreiber

Nur ein böser Verdacht: Sind es am Ende doch die alten Männernetzwerke, die über wichtige Posten in der Republik entscheiden? Auf diesen Gedanken könnte kommen, wer sich näher mit der Suche nach einem neuen Chef der Staatsbank KfW befasst. Werden wird es Stefan Wintels, lange Jahre Deutschland-Chef der US-Bank Citigroup und seit Jahrzehnten Teil der Investmentbanking-Gemeinde in Frankfurt. Als solcher ist er gut mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz und dessen Staatssekretär Jörg Kukies vernetzt, früher Co-Deutschland-Chef von Goldman Sachs. Allen voran das Bundesfinanzministerium soll sich für Wintels als Nachfolger von Günther Bräunig eingesetzt haben, der im Sommer in den Ruhestand geht. Die Union schloss sich der Empfehlung an, und so steht diesen Mittwoch die Bestellung von Wintels auf der Tagesordnung des Verwaltungsrates.

Verloren hat Ingrid Hengster, 60, ebenfalls viele Jahre im Investmentbanking tätig, seit 2014 aber Vorständin in der KfW und dort zuständig für das wichtige Inlandsgeschäft. Dass sie ihren Job nicht beherrsche, behaupten die allerwenigsten. Insofern wäre es wohl durchaus nachvollziehbar gewesen, Hengster auch zur Vorstandschefin zu berufen - zumal die Bundesregierung für Aktiengesellschaften gerade eine Frauenquote gesetzlich verankert hat. Hätte man nicht bei einem staatseigenen Unternehmen mit gutem Beispiel vorangehen können?

Nun aber bleibt Hengster, was sie seit Jahren ist, und die These, dass sie an einem Männernetzwerk nicht vorbeikam, drängt sich nun doch ein wenig auf. Zur Begleitmusik des Findungsprozesses gehörten auch Gerüchte, dass Hengster ihrem Job nicht gewachsen sei. Bei der Verteilung der Corona-Hilfen, für die sie zuständig war, habe es geruckelt, hieß es in Finanzkreisen. Noch-Chef Günther Bräunig habe ihr wiederholt aushelfen müssen. Den Eindruck aber will Staatssekretär Kukies so nicht stehen lassen. Hengster habe bei den Corona-Hilfen "hervorragende Arbeit geleistet", sagte er der SZ. Sie habe oft passgenaue Lösungen entwickelt, die das Programm so erfolgreich gemacht haben. "Ihrem Einsatz ist es mitzuverdanken, dass die Hilfsprogramme so schnell umgesetzt werden konnten. Frau Hengster genießt das vollste Vertrauen im Bundesministerium der Finanzen."

"Wir können Krise"

Tatsächlich war die Verteilung der Corona-Hilfen wohl eine Art "Meisterprüfung" für die Bankmanagerin, wie es jüngst die FAZ formulierte. Innerhalb weniger Wochen stemmte die KfW vergangenes Frühjahr ein enormes Sonderprogramm: 141 000 Hilfskredite im Gesamtvolumen von 63 Milliarden Euro, das war mehr, als der Staat nach der Finanzkrise zur Verfügung stellte und fast so viel, wie er zwischen 1990 und 2000 für den "Aufbau Ost" ausgab. Nach anfänglichem Ruckeln flossen die Hilfen geräuschlos. "Wir können Krise", sagte Hengster in einem Interview.

Dabei ist Hengster - wie Wintels - von Haus aus gar keine Förderbankerin. Vor ihrem Wechsel 2014 war die promovierte Juristin Deutschlandchefin der Royal Bank of Scotland. Davor arbeitete sie für Banken wie ABN Amro, Credit Suisse, UBS und die Commerzbank. Zur KfW kam sie damals auf Vorschlag der FDP, auch wenn sie selbst kein Parteibuch hat. Ziel war es, mehr privates Geld für die Förderpolitik zu gewinnen; später entdeckte sie das Thema Wagniskapital für die KfW. In Frankfurt, wo die Österreicherin seit 35 Jahren mit Familie lebt, sieht man sie zuweilen im Grüneburgpark joggen. Ihr großes Vorbild ist Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank. Die Frauenquote wiederum hält sie für nötig. Es gehe darum, "verkrustete Strukturen aufzubrechen".

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