Karl Albrecht:Wie der Aldi-Gründer sein Geld vor dem Staat schützte
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Es ist der größte Nachlass in der Geschichte der Bundesrepublik: Der verstorbene Aldi-Gründer Karl Albrecht hinterlässt ein Multi-Milliarden-Vermögen. Der Fiskus hat davon nicht viel. Aber auch die Erben können das Geld nicht einfach verjubeln.
Von Christoph Giesen und Claus Hulverscheidt, Berlin, München/Berlin
Für ein Logistikzentrum ist die Lage in Eichenau, westlich von München, ideal. Gleich drei Autobahnen liegen um die Ecke, Hunderte Lastwagen rollen hier jeden Tag auf den Hof, randvoll beladen mit Waren für die Aldi-Süd-Märkte in der Region. Ständig docken die Laster rückwärts an die Verladestationen an. In Windeseile werden sie entladen, wieder bestückt und erneut auf Reisen geschickt.
Von außen sieht das Zentrallager in Eichenau im Landkreis Fürstenfeldbruck so aus wie die vielen anderen Verladestationen, die Aldi Süd in Deutschland unterhält: ein grauer Flachbau, kaum mehr Charme als eine Aldi-Filiale. Und doch gibt es einen Unterschied: Hier im Gewerbegebiet Eichenau-Süd, in jenem öden, gesichtslosen Bau, hat die vielleicht reichste Stiftung des Landes ihren Sitz. Ein unauffälliges Schild gleich neben dem Eingang ist der einzige Hinweis: Siepmann-Stiftung steht darauf.
Vom Vermögen her spielt sie in einer Liga mit der umtriebigen Bertelsmann-Stiftung, die in der Politik mitmischt und Repräsentanzen in Berlin und Brüssel unterhält. Oder der Bosch-Stiftung, die Stipendien vergibt und sich um die Völkerfreundschaft kümmert. Der Zweck der Siepmann-Stiftung ist simpler: "die gemeinsamen Interessen der Angehörigen der Familie Albrecht zu wahren und zu fördern", heißt es knapp in der Satzung. Dem einen oder anderen in der Handelsszene mag der Name geläufig sein, in der öffentlichen Wahrnehmung aber ist die Stiftung ein Phantom. Genauso wie es ihr Gründer immer war.
Was aber passiert nun mit diesem Vermögen? Wer profitiert vom größten Nachlass, den es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland je gegeben hat?
Forbes schätzt Albrechts Vermögen auf knapp 20 Milliarden Euro
Der nun verstorbene Aldi-Süd-Patriarch Karl Albrecht ließ die Siepmann-Stiftung am 19. Oktober 1973 eintragen und gab ihr den Mädchennamen seiner Mutter. Bis 2002 blieb er Vorstand der Siepmann-Stiftung und überwachte das Geschäft - immerhin kontrolliert die Stiftung den Handelsriesen Aldi Süd zu fast 75 Prozent.
Inzwischen sitzen mit dem ehemaligen BASF-Chef Jürgen Hambrecht und der Leiterin des Allenbach-Instituts, Renate Köcher, zwei namhafte Kontrolleure im Stiftungsrat. Die Familie vertreten die Albrecht-Tochter Beate Heister und Enkel Peter Max Heister. Sie verwalten nun das Erbe des ehemals reichsten deutschen Bürgers.
Die Milliardärsliste von Forbes taxierte Karl Albrechts Vermögen zuletzt auf knapp 20 Milliarden Euro. Entbrennt nach seinem Tod nun ein Erbschaftsstreit? Oder streicht am Ende der Staat mithilfe der Erbschaftsteuer Milliarden ein?
"Doppelstiftungsmodell" soll vor dem Zugriff des Fiskus schützen
Um den Zugriff des Fiskus zu verhindern und seiner Familie zugleich dauerhaft die unternehmerische Kontrolle über Aldi Süd zu sichern, hatte Albrecht bereits in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts vorgesorgt. Er entschied sich für das damals beliebte "Doppelstiftungsmodell", bei dem reiche Unternehmer ihr Vermögen auf eine Familienstiftung und eine oder mehrere gemeinnützige Stiftungen übertragen.
Meist ist es so, dass die Familienstiftung die Mehrheit der Stimmrechte und die gemeinnützige Stiftung das Gros der Kapitalanteile übernimmt. So behält die Familie das Sagen und spart kräftig Steuern. Bei Aldi mischen unter anderem besagte Siepmann-Stiftung als Familienstiftung sowie die Oertl- und die Elisen-Stiftung mit, die sich der Förderung der medizinischen Forschung beziehungsweise der Kultur verschrieben haben.
Im Doppelstiftungsmodell erhalten die sogenannten Begünstigten - im Falle der Siepmann-Stiftung waren das Karl Albrecht selbst, seine Frau, die gemeinsamen Kinder und deren Nachkommen - Zuwendungen von der Familienstiftung, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Die Erlöse müssen versteuert werden - allerdings nur mit der Abgeltungsteuer von 25 Prozent. Dass nicht der im Zweifel deutlich höhere Einkommensteuertarif greift, wird damit begründet, dass die Stiftung selbst Körperschaft- und Gewerbesteuer zahlen muss.
Durch das Stiftungsmodell lässt sich verhindern, dass das Unternehmen nach dem Tod des Firmengründers aufgeteilt, zerschlagen oder verkauft wird. Die Nachfahren können das Erbe also nicht verjubeln, sondern müssen sich mit einem Sitz in den Stiftungsgremien begnügen.
Dafür genießen sie im Gegenzug ein äußerst lukratives Privileg: Sie zahlen keine Erbschaftsteuer. Stattdessen wird die Familienstiftung selbst bei ihrer Gründung sowie anschließend in einem Turnus von 30 Jahren mit einer sogenannten Erbersatzsteuer belegt. Dabei tut der Fiskus so, als würde das Vermögen auf zwei Erben übertragen.
Da jedoch die üblichen Freibeträge und vor allem die Verschonungsregeln für die Übertragung von Betriebsvermögen gelten, wird in der Praxis meist nur eine geringe oder gar keine Zahlung an den Fiskus fällig. Das letzte Mal musste die Siepmann-Stiftung offensichtlich 2003 an das Finanzamt Fürstenfeldbruck zahlen. Der nächste Stichtag ist 2033. Bis dahin ist Ruhe.
Finanzamt kann Albrecht höchstens bei Privatvermögen belangen
Noch mehr Privilegien genießen die gemeinnützigen Stiftungen: Sie zahlen weder Erbschaft- noch Erbersatzsteuer, und auch die Körperschaftsteuer greift nicht, weil die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht als unternehmerische Tätigkeit, sondern als Vermögensverwaltung gilt.
Entsprechend sind die Betriebe, die über die Stiftungen gesteuert werden, fast immer als Aktiengesellschaft (AG) oder als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) organisiert - so auch im Falle von Aldi Süd. Auch dürfen gemeinnützige Stiftungen einen Teil ihrer Gewinne an die Familienstiftung übertragen. Die Stiftung auflösen und sein Geld wieder einstreichen kann der Stifter aber nicht.
Falls das Finanzamt die Erben Karl Albrechts überhaupt belangt, dann allenfalls mit Blick auf das Privatvermögen, das der Patriarch hinterlässt. Dazu könnten etwa das Haus der Familie, Autos, Bargeld und Wertpapiere gehören. Aber wie Albrecht kurz vor seinem Tod selbst sagte, führte er ein sehr sparsames Leben. Sein einziger Luxus: ab und an eine Partie Golf.