Süddeutsche Zeitung

IWF:Die Bundesregierung hat Griechenland in der Hand

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Berlin, Athen und der IWF stehen vor den entscheidenden Gesprächen. Wirklich vereinfachen kann diese jedoch nur eine der drei Seiten.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Wenig in der Welt ist so kompliziert wie eine Dreiecksbeziehung. Das lässt sich derzeit am Verhältnis der Protagonisten in der griechischen Schuldenkrise besichtigen - also den Regierungen in Berlin und in Athen sowie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Funktionieren kann ein solches Dreieck nur, wenn sich alle Beteiligten an klare Regeln halten.

Die Regierung in Berlin ist mit der in Athen durch die Europäische Währungsunion verbunden - weswegen sie bereit sein muss, Athen finanziell zu unterstützen. Berlin will aber das von der Pleite bedrohte Athen nur in der Währungsunion behalten, wenn der Fonds aus Washington hilft, diese Pleite abzuwenden.

Athen wiederum will mit Berlin zusammen in der Währungsunion bleiben - hält aber nichts von einer Dreierkonstellation mit dem IWF. Dieser würde gern mit Athen und Berlin kooperieren, kann aber bisher nicht, weil Berlin sich weigert, seine Bedingung dafür zu akzeptieren. Die lautet: Berlin müsse Athen mit weitreichenden Schuldenerleichterungen entgegenkommen. Der Verzicht auf die Rückzahlung der Kredite über mehrere Jahrzehnte soll helfen, dass Athen seine Wirtschaft wieder in Gang bringen kann.

Macht Merkel ohne den IWF weiter, käme das einem Scheitern gleich

Die Bundesregierung lehnt ein solches Entgegenkommen ab. Aber wie lange noch? Sie wird ja nicht müde zu behaupten, dass der Währungsfonds dabei sein muss - weil nur er über ausreichend Kompetenz bei der Rettung von Pleiteländern verfüge.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Bundesbürgern immer wieder versprochen, dass das Geld in Griechenland schon deshalb nicht versickere, weil doch der IWF dabei ist. Würde sie ohne ihn weitermachen, würde dies als das Scheitern von Merkels Euro-Rettungspolitik gelesen werden. Ganz abgesehen davon, dass sie für neue Milliarden den Bundestag bräuchte, ihr dort aber keine Mehrheit sicher wäre.

Wenn Tsipras gegen den IWF wettert, meint er eigentlich Berlin

Am deutsch-griechischen Verhältnis zerrt zugleich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras. Der IWF ist ihm verhasst, weshalb er ihn abzuwehren versucht. Er wettert gegen dessen angeblich besonders harte Spar- und Reformauflagen, obwohl diese bei Licht betrachtet weniger fordernd und deshalb realistischer sind als die Bedingungen, die Berlin stellt.

Bemerkenswert ist, dass nun wenige Tage vor entscheidenden Gesprächen ein internes Gespräch publik geworden ist, in dem hochrangige Mitarbeiter des Fonds ihre Verhandlungsstrategie besprechen. Vordergründig nutzte Tsipras die Indiskretion, um gegen den IWF Stimmung zu machen. Eigentlich meint Tsipras aber Berlin. Denn wenn er schon die Fonds-Auflagen als unerfüllbar ansieht, sind es die Bedingungen Deutschlands respektive der Euro-Länder erst recht. Der Clou: Der IWF sieht das seit Monaten schon genauso. Damit aber ist die Bundesregierung am Zug. Entweder sie kündigt die Dreiecksbeziehung auf - oder sie akzeptiert nötige Schuldenerleichterungen für Athen.

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SZ vom 06.04.2016
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