Süddeutsche Zeitung

EZB und Fed:Zinswende mit Ansage

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Obwohl auch in Europa die Inflation grassiert, hält die EZB das Geld weiterhin billig. Nach der Fed-Entscheidung sollte sie nun rasch offenlegen, wann sie plant, die Zinsen ebenfalls zu erhöhen.

Von Nikolaus Piper

Notenbanken sollten die Schüssel mit Punsch genau dann wegnehmen, wenn die Party am schönsten ist. Diese Weisheit stammt von dem amerikanischen Ökonomen William McChesney Martin, der von 1951 bis 1970 an der Spitze der amerikanischen Fed stand. Er wollte damit ausdrücken, dass man die Zinsen erhöhen sollte, ehe die Finanzmärkte besoffen sind vom billigen Geld und die Inflation antreiben. Aber woher weiß man, wann die Party wo ihren Höhepunkt erreicht hat?

Vor dieser Frage steht jetzt die Europäische Zentralbank. Überall ist in der Pandemie die schon tot geglaubte Inflation zurückgekehrt. In den USA sind die Preise im Dezember um sieben Prozent gestiegen, so stark wie seit einer Generation nicht mehr. Die Fed hat daraus am Mittwoch nach langem Zögern ihre Konsequenzen gezogen und einen Kurswechsel eingeleitet. Die Zeit des superbilligen Geldes geht zu Ende, von März an werden die Zinsen wieder steigen, voraussichtlich vier Mal bis Jahresende.

Von der EZB ist derzeit Ähnliches nicht zu erwarten. Sie hält das Geld billig, obwohl auch in Europa die Inflation grassiert. In Deutschland etwa stiegen die Preise im Dezember um 5,3 Prozent, das ist der höchste Wert seit 30 Jahren. Es stimmt, diese Zahlen sind mit den amerikanischen nur bedingt zu vergleichen. Der größte Teil des Inflationsschubs ist hier auf die Energiepreise zurückzuführen, und die werden nicht immer weiter steigen. Die Haushaltsdefizite in der Euro-Zone sind nur halb so groß wie in den USA. Insgesamt ist die europäische Wirtschaft schwächer als die amerikanische. Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands schrumpfte im vierten Quartal sogar um 0,7 Prozent.

Die Frage ist nicht ob, sondern wann die EZB die Zinsen erhöhen soll

Aber sollte die EZB deshalb einfach so weitermachen wie bisher? Die Inflation mag in dieser Höhe nur ein vorübergehendes Phänomen sein, trotzdem dürfte sie im Jahresverlauf über der Zielmarke der EZB von 2,0 Prozent liegen. Auch die europäischen Finanzmärkte sind überdreht, hier nehmen die wilden Ausschläge ebenfalls zu. Der Kurs des Euro dürfte wegen der Unterschiede in der Geldpolitik fallen, am Freitag kostete die Gemeinschaftswährung nur noch 1,11 Dollar. Wenn das so weitergeht, wird Inflation nach Europa importiert. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund, dass die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft einhellig fordern, dass die EZB die Zinswende der Fed nachholt.

Die entscheidende Frage ist nicht ob, sondern wann sie das tun soll. Man kann nachvollziehen, dass die EZB angesichts der unsicheren Lage noch abwartet. Aber das kann nicht unbegrenzt gut gehen. Sie könnte zum Beispiel dem Rat des Ökonomen Peter Bofinger folgen und die Zinsen erhöhen, sobald die langfristige Inflationsprognose über zwei Prozent steigt. Und sie müsste diese Absicht bereits heute kommunizieren. Das würde Vertrauen schaffen, das die EZB gut brauchen kann. Sie ist immer noch eine relativ junge Institution und muss zeigen, dass sie in der Lage ist, den Punschtopf zu requirieren, auch wenn das unbequem sein sollte.

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