Süddeutsche Zeitung

Preise:Inflationsrate weiter sehr hoch

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Nach einer Panne reicht das Statistische Bundesamt die Zahlen für den Januar nach: Die deutsche Teuerungsrate beträgt im Januar 8,7 Prozent.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es war das erste Mal in der Geschichte des Statistischen Bundesamtes: In der vergangenen Woche musste die Behörde aus Wiesbaden die Veröffentlichung der aktuellen Inflationsdaten verschieben. Die Ursache: Das System sei im Zusammenhang mit der Revision der Berechnung des Verbraucherpreisindexes zusammengebrochen, die alle fünf Jahre vorgenommen wird.

An diesem Donnerstag war es dann so weit, die neuen Zahlen sind da: Die Inflationsrate in Deutschland betrug im Januar gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum 8,7 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in seiner ersten Schätzung mitteilte. Im Dezember lag der Wert bei 8,6 Prozent, doch kann diese Zahl wegen der Revision der Statistik noch nachträglich verändert werden. Details dazu möchte die Statistikbehörde am 22. Februar nennen. Aufgrund der Berechnungsrevision konnte das Bundesamt auch noch keine Ergebnisse für einzelne Gütergruppen oder Bundesländer veröffentlichen.

Viele Ökonomen hatten mit einer etwas höheren Jahresrate von 8,9 Prozent gerechnet - doch das Problem Inflation ist noch lange nicht gelöst. "Obwohl der Hochpunkt überschritten sein dürfte, ist es für Entwarnung verfrüht", warnte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib vor zu großen Hoffnungen. "Die Inflation ist in der Breite der Wirtschaft angekommen."

"Auch im Februar könnte die Inflationsrate noch einmal hoch ausfallen", erwartet der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. Ein nachhaltiger und deutlicher Rückgang der Teuerung sei ab März zu erwarten, wenn Gas- und Strompreisbremsen greifen würden. "Die Zeiten mit zweistelligen Inflationsraten in Deutschland dürften nun endgültig hinter uns liegen", sagte Dullien. Für das Gesamtjahr 2023 rechnet der Wissenschaftler mit einer Inflationsrate von etwas über fünf Prozent. Im Jahr 2022 lag die Jahresinflation mit 7,9 Prozent so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die Preisentwicklung in Deutschland hat aufgrund der Größe der Volkwirtschaft starke Wirkung auf die Inflation in der gesamten Währungsunion. Dort gibt es große Unterschiede. In den baltischen Staaten liegt die Teuerungsrate auf zweistelligem Niveau, zeitweise sogar bei 20 Prozent. Eurostat bezifferte den Januarwert für die Euro-Zone in der vergangenen Woche auf 8,5 Prozent. Wegen des besagten Malheurs war die europäische Statistikbehörde dabei für die deutschen Verbraucherpreisdaten auf eine eigene Schätzung angewiesen. Diese lag wohl einen halben Prozentpunkt niedriger, meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Nun muss Eurostat den Wert für die Währungsunion entsprechend aktualisieren - nach oben.

Insgesamt gehen die Inflationsraten für die Euro-Zone inzwischen leicht zurück. Im Dezember hatte der Wert noch bei 9,2 Prozent gelegen und im November bei 10,1 Prozent. Dafür sind die inzwischen rückläufigen Energiepreise verantwortlich.

Die EZB kämpft gegen die Inflation an - und erhöht die Zinsen

Trotzdem: Für die Verbraucher ändert sich erst einmal wenig. Das Preisniveau fällt nicht auf den Stand von vor anderthalb Jahren zurück - im Gegenteil: Der Preisauftrieb geht unvermindert weiter, wenn auch, wie es aussieht, künftig weniger stark. Die EZB strebt mittelfristig eine Teuerungsrate von zwei Prozent an. Allerdings prognostiziert die Notenbank selbst, dass die Inflationsrate in diesem Jahr 6,3 Prozent betragen werde. Für 2024 werden 3,4 Prozent erwartet.

Die EZB möchte durch weitere Leitzinserhöhungen die Teuerungsrate drücken. Zuletzt erhöhte die Notenbank den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf nun drei Prozent. Das ist der höchste Stand seit 2008. Eine weitere Anhebung ist für Mitte März vorgesehen - auf dann 3,5 Prozent. Die volle Wirkung entfalten Zinserhöhungen allerdings erst mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren. Die EZB sieht jedoch, dass Banken ihre Kredite nun teurer anbieten, und dass deshalb die Nachfrage durch Haushalte und Firmen zurückgeht. So soll die Wirtschaft abgekühlt werden, um den Preisanstieg zu dämpfen.

Doch das kann noch Jahre dauern. Besondere Sorge bereitet den Währungshütern die sogenannte Kerninflation, bei der die schwankungsanfälligen Energie-, Lebensmittel-, Alkohol- und Tabakpreise herausgerechnet werden. Sie beträgt in der Euro-Zone 5,2 Prozent. Das ist der höchste Wert seit Gründung der Währungsunion. Die hohe Kerninflation ist ein Indiz dafür, dass sich die Teuerung vom Energiesektor in alle Wirtschaftsbereiche fortfrisst. Für die Währungshüter ist das keine gute Nachricht. Wenn die Menschen den Glauben daran verlieren, dass die Inflation wieder zurückgeht, verfestigt sich die Inflationserwartung. Das bedeutet: Höhere Löhne und höhere Produktpreise könnten in einer gefährlichen Spirale enden.

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