Süddeutsche Zeitung

Haushaltspolitik:Heute schon von gestern

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Die Eckpunkte für den Haushalt 2022 und die Finanzplanung bis 2026 stehen. Das Problem: Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen für Deutschland sind noch nicht eingepreist.

Von Henrike Roßbach

An diesem Mittwoch wird das Kabinett die Eckpunkte für den Haushalt 2022 verabschieden. Doch schon jetzt ist klar: Das Zahlenwerk von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wird zu diesem Zeitpunkt zumindest in Teilen bereits Makulatur sein. Denn Lindner ist es in den vergangenen Wochen zwar gelungen, die Rekord-Wünsche der anderen Ressorts auf ein mit seiner Planung kompatibles Maß einzudampfen. Die Verwerfungen aber, die der Krieg in der Ukraine auch für die Bürger und Unternehmen in Deutschland mit sich bringt, sind keineswegs schon alle eingepreist.

Inklusive sind bereits die Ende Februar beschlossenen Entlastungen, etwa bei der Pendlerpauschale. Auch 1,5 Milliarden Euro für die Gasreserven sind berücksichtigt, genau wie eine Extra-Milliarde für humanitäre Hilfe. Doch Lindner selbst hat am Montag deutlich gemacht, dass all das nicht reichen wird. So schlug er etwa einen befristeten Tankrabatt vor, der alleine schon eine Milliarde Euro im Monat kosten könnte. Auch Entlastungen beim Heizöl, eine höhere Einmalzahlung für Hartz-IV-Empfänger und mehr Geld, um Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen, brachte er ins Gespräch.

Damit die Haushaltsberatungen im Parlament trotz dieser Unsicherheiten beginnen können, setzt das Finanzministerium auf ein selten genutztes Instrument: einen "Ergänzungshaushalt". Darin sollen die geplanten Ausgaben zur Abfederung der Kriegsfolgen gebündelt und am Ende zusammen mit dem Haushaltsgesetz 2022 beschlossen werden. Während dieses Paket aber noch diffus ist, liegen die Eckpunkte zum Kernhaushalt nun auf dem Tisch. Aus Kreisen des Finanzministeriums hieß es am Montag, dass Lindner dieses Jahr mit 99,7 Milliarden Euro neuen Schulden plane. Um wie viele Milliarden der Ergänzungshaushalt die Neuverschuldung nach oben treiben wird, blieb offen. "Da fahren wir auf Sicht", hieß es.

Im kommenden Jahr soll Stand jetzt trotz allem die Schuldenbremse wieder greifen, was die zulässige Nettokreditaufnahme auf höchstens 7,5 Milliarden Euro begrenzen würde. 2024 wären laut den Eckpunkten 10,6 Milliarden Euro möglich, 2025 11,8 Milliarden und 2026 13,7 Milliarden.

Für die nächsten Jahre sind hohe Investitionen von jährlich etwa 51 Milliarden Euro geplant

Gegenüber dem ersten Haushaltsentwurf, der noch von der Vorgängerregierung stammt, sind für den Kernhaushalt gut 24 Milliarden Euro an zusätzlichen Belastungen für die Pandemiebekämpfung hinzugekommen, etwa für den Impfstoff-Einkauf. Auch der ausgefallene Gewinn der Bundesbank schlägt mit minus 2,5 Milliarden Euro zu Buche. Auf der anderen Seite fielen die Steuereinnahmen besser aus, und nicht alle einmal geplanten Hilfen, etwa für den Arbeitsmarkt, mussten tatsächlich geleistet werden. Im Ergebnis bleibt es daher bei den 99,7 Milliarden Euro neuen Schulden.

Geplant wird für die nächsten Jahre mit hohen Investitionen von jährlich etwa 51 Milliarden Euro. 2019 waren es nur gut 38 Milliarden Euro gewesen. Alleine gut 20 Milliarden Euro sollen bis 2026 in den Verkehr fließen, der größte Teil davon in den Schienenverkehr. Ein deutliches Plus ist zudem für das Bauressort geplant; dieses Jahr alleine zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau, doppelt so viel wie in den beiden Vorjahren. 2026 sollen es dann schon 3,5 Milliarden sein. Auch das Familienministerium bekommt bis zum Ende der Finanzierungsperiode 1,7 Milliarden Euro mehr; für das Bildungsressort wächst der Etat um mehr als vier Milliarden.

Ein Sonderfall ist das Ressort von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Als Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine hat die Regierung eine sicherheitspolitische Wende beschlossen - und ein 100 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für die Bundeswehr, abgesichert im Grundgesetz. Darüber hinaus wird auch Lambrechts Einzeletat aufgestockt. 50,3 Milliarden Euro sind in diesem Jahr eingeplant, auf dem Niveau soll es in den kommenden Jahren weitergehen. Zusammen mit den Abflüssen aus dem Sondervermögen will Deutschland so das Nato-Ziel von zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung einhalten. Vor allem die Grünen möchten den Sicherheitsbegriff weiter fassen, und so auch Investitionen in humanitäre Hilfe oder Diplomatie aus dem neuen Geldtopf bezahlen. Lindner aber betonte am Montag, dass die Mittel nur für Zwecke eingesetzt werden dürfen, "die der Erreichung des Nato-Zieles dienen".

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