Süddeutsche Zeitung

Großbritannien:So teuer wird ein harter Brexit für die britische Wirtschaft

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Von Alexander Mühlauer, London

Vor einer Woche war Boris Johnson voller Euphorie. Beim Tory-Parteitag in Manchester behauptete der britische Premierminister, dass sein Land eine Milliarde Pfund pro Monat sparen könnte, wenn es die Europäische Union (EU) am 31. Oktober verlasse. Wie er auf die Zahl kommt, erklärte Johnson nicht. Fest steht nur: Er will das Vereinigte Königreich an Halloween aus der EU führen - und zwar mit oder ohne Deal. Johnsons Botschaft ist ziemlich klar: Großbritannien steht so oder so eine glorreiche Zukunft bevor.

Für die Wirtschaft sieht es laut einem Regierungspapier nicht ganz so grandios aus: Im Fall eines No-Deal-Brexit kämen auf die Unternehmen jährliche Kosten von 15 Milliarden Pfund zu. Die Firmen müssten allerlei Zollpapiere ausfüllen und viel Zeit für administrative Dinge aufwenden, warnt die für Zoll und Steuern zuständige Regierungsbehörde. Unternehmen in Großbritannien und der EU stehe "ein erheblicher neuer und anhaltender Verwaltungsaufwand" bevor, heißt es in dem Papier.

Den Berechnungen zufolge müssen große Unternehmen sich darauf einstellen, dass sie eine Lieferung im Durchschnitt zusätzlich 28 Pfund kosten wird. Um die dafür nötigen Zollformalitäten zu erledigen, benötige ein Mitarbeiter durchschnittlich eine Stunde und 45 Minuten. Ein Zeitaufwand, der bislang nicht nötig ist. Würde man diese Arbeit auslagern, kämen auf das Unternehmen Kosten von 56 Pfund pro Lieferung zu. Wie hoch die tatsächliche Mehrbelastung ausfällt, hänge davon ab, wie oft eine Firma Güter, Waren oder Dienstleistungen ein- und ausführt.

Es ist das erste Mal, dass die britische Zollbehörde eine solch detaillierte Kostenschätzung veröffentlicht. Die Regierung sei jedenfalls bereit, Unternehmen im Fall eines No-Deal-Brexit finanziell zu unterstützen, heißt es in London. Doch mehr als diese vage Zusage gibt es bislang nicht. Einer Untersuchung des Institute for Fiscal Studies (IFS) zufolge werden die öffentlichen Ausgaben im Fall eines No-Deal-Brexit wohl massiv ansteigen. Denn um die negativen Auswirkungen zu begrenzen, dürfte Johnson nicht umhinkommen, die Staatsverschuldung in die Höhe zu treiben. Die Regierung wird wohl auch Steuerentlastungen für Unternehmen ankündigen. Laut der Studie, über die zuerst der britische Guardian berichtete, könnte die britische Staatsschuld bei einem No-Deal-Szenario wieder so hoch ansteigen wie zuletzt in den 1960er Jahren.

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