Süddeutsche Zeitung

USA vs. China:Wie geht es weiter im Handelsstreit?

Lesezeit: 3 min

Trump hat nicht geblufft - der Zollkonflikt zwischen den größten Volkswirtschaften USA und China eskaliert. Und nach Abreise der Chinesen setzt der US-Präsident noch eins drauf.

Von Christoph Giesen, Peking, und Claus Hulverscheidt, New York, Peking/New York

Am Freitag ist eine neue Runde der Handelsgespräche zwischen den Vereinigten Staaten und China ergebnislos abgebrochen worden. Wann weiterverhandelt wird, ist noch unklar. Die jüngste Verschärfung in dem Konflikt zwischen beiden Ländern war am vergangenen Sonntag eingeleitet worden, wie so oft über den Kurznachrichtendienst Twitter. US-Präsident Donald Trump verschickte zwei Mitteilungen, in denen er ankündigte, die bislang geltenden Strafzölle gegen China drastisch zu erhöhen. Was vor ein paar Tagen von vielen Fachleuten noch als Bluff und Provokation abgetan worden war, ist nun Realität: Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt stecken in einem Handelskrieg. Die wichtigsten Fragen dazu im Überblick.

Worum geht es in dem Streit?

Seit dem Frühjahr 2017 liegen die beiden Staaten im Clinch, seit etwa einem Jahr überziehen sie sich gegenseitig mit Strafzöllen. Trump sind vor allem zwei Dinge ein Dorn im Auge: Zum einen empfindet er es als unfair und als Schmach, dass China pro Jahr deutlich mehr Waren in die Vereinigten Staaten liefert als US-Firmen umgekehrt in die Volksrepublik exportieren - allein 2018 betrug das bilaterale Handelsdefizit der Amerikaner knapp 420 Milliarden Dollar. Zum Zweiten fordern die USA einen besseren Marktzugang sowie mehr Schutz vor Produktpiraterie, Industriespionage und zwangsweisem Technologietransfer für in China tätige ausländische Unternehmen. Kaum hatte Washington die ersten Strafzölle angekündigt, konterte Peking. Seither ist der Konflikt in vollem Gange.

Welche Zölle wurden bisher verhängt?

Die USA begannen mit chinesischen Lieferungen im Wert von drei Milliarden Dollar, dann kamen 34 Milliarden, später noch einmal 16 Milliarden Dollar hinzu. Peking schlug in gleicher Größenordnung zurück. Im September vergangenen Jahres belegte Trump dann weitere chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar mit einer Strafabgabe von zunächst zehn Prozent. Die Volksrepublik konnte da schon nicht mehr mithalten, denn China importierte zuletzt überhaupt nur Waren im Wert von gut 120 Milliarden Dollar aus den USA.

Was genau hat Trump nun verfügt?

Seit Freitagmorgen beträgt die Strafabgabe auf jene chinesischen Waren für 200 Milliarden Dollar, die bisher mit zehn Prozent verzollt wurden, 25 Prozent. Sie entspricht damit jenem Satz, der auch für die übrigen betroffenen Importe aus der Volksrepublik gilt. Insgesamt muss nun auf fast die Hälfte aller chinesischen Exporte in die USA Strafzoll gezahlt werden. Darüber hinaus drohte Trump, die Zölle auf alle Importe aus China auszuweiten - am Freitagabend verschärfte er diese Ankündigung weiter: Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer teilte mit, der Präsident habe angeordnet, den Prozess zur Ausweitung bereits zu beginnen. Nach Trumps Angaben beträfen das noch einmal Waren im Wert von 325 Milliarden Dollar. Woher er die Zahl hat, ist nicht ganz klar, da China 2018 "nur" Waren im Wert von 540 Milliarden Dollar in die USA verschifft hatte.

Wie reagiert Peking auf die Eskalation?

Noch mahnen die staatlichen Zeitungen zur Gelassenheit: "Wir bleiben ruhig, auch wenn überall chaotische Wolken aufsteigen", zitierte die Volkszeitung dieser Tage ein Gedicht von Mao Zedong, dem langjährigen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei. Blättert man in Wirtschaftszeitungen, liest man von "kurzfristiger Volatilität" an den Aktienmärkten ohne Angabe von Gründen. Der Volkszorn im Internet wird wegzensiert. Noch. Sollte es nicht bald zu Fortschritten kommen, so kündigte das Pekinger Handelsministerium vorsorglich am Freitag an, werde es eine angemessene Reaktion geben. Noch sind allerdings keine Einzelheiten dazu bekannt.

Was bedeutet die Verschärfung des Streits für die Weltwirtschaft und Deutschland?

Hält der Konflikt noch Monate an, gehen Fachleute davon aus, dass die chinesische Wirtschaft massiv darunter leiden könnte. Von bis zu 1,5 Prozentpunkten weniger Wachstum ist die Rede - das entspräche umgerechnet etwa 175 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung, die verloren ginge. Vor allem für die exportgetriebene deutsche Wirtschaft wäre das ein großes Problem. Käme es tatsächlich dazu, dass die US-Regierung sämtliche chinesische Lieferungen mit Zöllen belegt und China überdies zurückschlägt, würde "das weltweite Bruttoinlandsprodukt um satte zwei Prozentpunkte rasiert", sagte Ludovic Subran, Chefvolkswirt des Kreditversicherers Euler Hermes. Der Welthandel würde nach seiner Prognose sogar schrumpfen.

Wie viel Geld nehmen die USA mit den Strafzöllen ein und was tun sie damit?

Trump behauptet schon seit Tagen, dass die Zölle bereits heute "mehr als 100 Milliarden Dollar" in die Staatskasse spülten und damit für die USA ein wunderbares Geschäft seien. Wie so oft bei ihm erscheint die Zahl übertrieben. Fakt ist, dass die US-Behörden in der ersten Hälfte des Haushaltsjahres 2018/19, also von Anfang Oktober 2018 bis Ende März 2019, knapp 35 Milliarden Dollar zusätzlich an Zollerlösen verbuchten. Angesichts der jetzigen Erhöhung vieler Zollsätze dürften die Einnahmen im zweiten Halbjahr allerdings etwas höher ausfallen. Das Geld fließt bisher in den allgemeinen Haushalt, der die zusätzlichen Milliarden angesichts eines zu erwartenden Etatdefizits von deutlich mehr als einer Billion Dollar allein in diesem Jahr dringend brauchen kann. Trump brachte am Freitag allerdings auch die Idee ins Spiel, die Zolleinnahmen für die Sanierung der Infrastruktur, das Gesundheitswesen und den Kauf landwirtschaftlicher Güter auszugeben, die dann an Entwicklungsländer verschenkt werden könnten.

Was steckt hinter dem Konflikt?

Trump ist vor allem das "Made in China 2025"- Programm ein Dorn im Auge. Im Jahr 2015 verkündet, ist es die ehrgeizigste industriepolitische Agenda der Welt. Mit Hunderten Milliarden Dollar fördert der kommunistische Staat in den kommenden Jahren die heimische Wirtschaft, um chinesische Weltmarktführer in etlichen Branchen zu schaffen.

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Quelle:
SZ vom 11.05.2019
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