Süddeutsche Zeitung

Griechischer Ministerpräsident Tsipras:"Wir befinden uns auf der Zielgeraden"

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Von Guido Bohsem, Berlin

Es soll alles ganz locker losgehen an diesem Donnerstag in Dresden. Auf die Finanzminister der sieben größten Industrienationen der Welt (G 7) wartet erst einmal ein Treffen mit sieben der einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler der Welt: mit Larry Summers, mit Nouriel Roubini, Martin Hellwig, Kenneth Rogoff, Alberto Alesina, Jaime Caruana und mit Robert Shiller. Über das Gespräch mit den Wissenschaftlern soll eine Diskussion auch unter den Ministern angeregt werden, heißt es in der Bundesregierung.

Deutschland hält derzeit die G-7-Präsidentschaft inne und man ist bestrebt, eine konstruktive und angeregte Atmosphäre herzustellen, wie es sie 2013 zuletzt beim Finanzministertreffen im Hartwell House im englischen Buckinghamshire gab. Zur Gruppe der G 7 gehören zudem die USA, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Kanada. Die Finanzminister werden von ihren Notenbank-Chefs begleitet.

Um den informellen Charakter des Treffens zu unterstreichen, soll es keine Abschlusserklärung geben, um zu verhindern, dass sich die Delegationen endlos über die einzelnen Punkte im Text streiten. Es gehe um eine offene Gesprächsführung, auch in der Diskussion mit den Wissenschaftlern.

Denkanstöße für Politiker

Es gibt vor allem drei Themen zu besprechen, wie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits früher angekündigt hat: "Unser Ziel ist, die Weltwirtschaft dynamischer, das Finanzsystem stabiler und das internationale Steuerwesen gerechter zu machen." Dazu sollen die Ökonomen den Politikern Denkanstöße geben.

So weit das offizielle Programm. Doch häufig wird der Plan bei G-7-Treffen von aktuellen Ereignissen über den Haufen geworfen. Und obwohl die deutsche Präsidentschaft immer wieder betont, dass es bei diesem Finanzministertreffen nicht um Griechenland gehe, wird es mit ziemlicher Sicherheit wieder einmal um die Frage gehen, wie das Land aus der weitgehend selbst verschuldeten Misere gerettet werden kann - möglichst, ohne dabei pleitezugehen oder aus dem Euro-Raum auszuscheiden.

Wie schwer die Griechenland-Frage zu beantworten ist, zeigt eine Aussage von Nobelpreis-Träger und Yale-Ökonom Robert Shiller, der gerade mit der dritten Auflage seines Bestsellers "Irrationaler Überschwang" auf Vorstellungstour ist. "Ich habe das Gefühl, dass es besser wäre, Griechenland in der EU zu halten", sagte er am Tag vor dem G-7-Treffen in Berlin, um gleich darauf zu ergänzen: "Aber wie das gelingen könnte . . . ?"

Tja. In der Bundesregierung ist man jedenfalls recht erleichtert über die Ankündigung mehrerer griechischer Spitzenpolitiker, die Anfang Juni fällige Zahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) leisten zu wollen - nachdem der Athener Innenminister zuvor am Sonntag das Gegenteil angekündigt hatte. Damit sei das Land offenkundig zahlungsfähig, heißt es in Berlin. Und es erkenne an, dass es ohne den IWF nicht gehen wird, wenn es neues Geld der Gläubiger erhalten wolle.

"Wir befinden uns auf der Zielgeraden"

Doch am Mittwoch sorgten die Griechen erneut für Verwirrung. Ministerpräsident Alexis Tsipras verkündete nach einer Krisensitzung mit seinem Finanzminister und den Unterhändlern seiner Regierung, die in Brüssel die Gespräche führen, dass eine Einigung mit den Geldgebern unmittelbar bevorstünde: "Wir befinden uns auf der Zielgeraden." Daraufhin schossen die Aktienmärkte in Europa und in den USA in die Höhe, doch nur eine Stunde später widersprach Valdis Dombrovskis, der zuständige Vize-Chef der EU-Kommission, den Aussagen von Tsipras: "Wir sind noch nicht so weit." Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dementierte die Nachrichten aus Athen. Es sei, sagte Schäuble in der ARD, "immer ein wenig überrascht, dass aus Athen immer so gesagt wird, wir stünden kurz vor einer Einigung". Vielleicht hatte der griechische Ministerpräsident aber auch bloß ein wenig taktiert, um durch seine Äußerungen den Druck auf die Geldgeber zu erhöhen. Denn Tsipras hatte am Mittwoch auch gesagt, dass seine Regierung in der Schlussphase der Verhandlungen "Kaltblütigkeit und Entschlossenheit" beweisen müsse.

Und so dürfte Griechenland auch bei den G-7-Ministern die Debatte bestimmen - auch wenn es dort nicht auf der Tagesordnung steht. Spätestens am Freitag, wenn das Thema "geopolitische Risiken" aufgerufen werde, könnte es auch um den "Grexit" gehen, das Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone. Davon geht Schäuble aus. "Es würde mich überraschen, wenn sie uns gar nicht nach Griechenland fragen würden", sagte er kürzlich.

Sein amerikanischer Amtskollege Jack Lew machte bereits vor dem Treffen den Anfang. Die Europäische Union und der IWF müssten deutlich mehr Flexibilität im Umgang mit dem griechischen Problem an den Tag legen. Es gehe darum, eine Krise in Griechenland zu verhindern. Denn schließlich sollte sich keiner in der falschen Sicherheit wiegen, Vorhersagen über die Auswirkungen der Krise treffen zu können. In der Bundesregierung war zuletzt immer wieder mit Verweis auf die europäischen Rettungsmechanismen zu hören, dass ein Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion seinen Schrecken inzwischen verloren habe und beherrschbar sei.

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SZ vom 28.05.2015
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