Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Streit um die Abgase

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Die EU will strengere Schadstoffnormen für Autos mit Verbrennungsmotoren. Das gehe so nicht, sagen die Hersteller - und machen einen Gegenvorschlag.

Von Björn Finke und Christina Kunkel

Es klingt nach einem altbekannten Muster: Die EU will der Autoindustrie strengere Regeln auferlegen, die Hersteller wehren sich dagegen. Im November hatte die EU-Kommission Vorschläge für die neue Euro-7-Abgasnorm vorgelegt. Seitdem erhöht sich der Widerstand der Autoindustrie gegen die von Mitte 2025 geplanten neuen Richtlinien stetig. Jetzt legt der Verband der Automobilindustrie (VDA) nach - und macht einen Gegenvorschlag.

"Die aktuellen Vorschläge sind kostenintensiv, technologisch nicht sicher umsetzbar und umfassen zulassungsrechtliche Risiken", teilte VDA-Präsidentin Hildegard Müller am Donnerstag mit. Die Norm soll für Autos gelten, die ab dem 1. Juli 2025 auf den Markt kommen, für Busse und Lastwagen wird sie zwei Jahre später eingeführt. In der kurzen Zeit könnten nicht genügend Fahrzeuge mit den Voraussetzungen entwickelt und genehmigt werden, heißt es vom VDA. In der Autobranche stößt dabei insbesondere auf Kritik, dass die Abgaswerte in mehr Fahrsituationen eingehalten werden müssen als bisher - also etwa auch, wenn ein Wagen bei extremen Temperaturen oder voll beladen unterwegs ist. Der Verband fordert in einem Positionspapier deshalb, die Testbedingungen nicht auszuweiten. Außerdem sollten die neuen Regeln zeitlich gestaffelt eingeführt werden.

Vergangene Woche hatte sich auch Bosch-Chef Stefan Hartung der Kritik der Hersteller in einigen Punkten angeschlossen: "In die Regulierung kann nichts rein, was technisch nicht geht oder noch nicht erfunden ist", sagte er. Die Vorschriften dürften auch nicht so gestaltet werden, "dass man keinen Motor mehr ökonomisch bauen kann." Denn auch darüber, was die neuen Regeln für Autokäufer bedeuten, ist ein heftiger Disput entbrannt. Während man in Brüssel davon ausgeht, dass ein Wagen mit der neuen Technik nur wenige hundert Euro teurer werden würde, warnen die Hersteller davor, insbesondere Einstiegsmodelle gar nicht mehr oder nur zu deutlich höheren Preisen anbieten zu können.

Die Frist sei "ehrgeizig" heißt es aus Brüssel, aber es gehe schließlich auch um Gesundheit und Umweltschutz

Die EU-Kommission weist den Vorwurf zurück, die Standards seien unrealistisch und die Zeit zu knapp: Die Behörde hat wie üblich eine Folgenabschätzung für den Gesetzentwurf vorgenommen, also die möglichen Konsequenzen vorab untersucht. Insgesamt habe die Kommission mehr als 1170 Seiten an technischen Untersuchungen veröffentlicht, und die zeigten, dass der Gesetzentwurf umsetzbar und nicht zu teuer sei, heißt es aus der Behörde.

Eine Sprecherin betont zudem, dass "der Gesetzentwurf laut Ergebnissen der Folgenabschätzung keine teuren Änderungen bei der Motorenentwicklung erfordert". Die Frist zur Umsetzung sei "ehrgeizig", räumt sie ein, aber der Rechtsakt solle eben auch "die Gesundheit unserer Bürger und unsere Umwelt schützen". In Summe sei der Gesetzentwurf "ausgewogen, und er berücksichtigt den Stand der Technik bei der Emissionskontrolle".

Bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs im November sagte Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager, es sei inakzeptabel, dass "jährlich allein in der EU mehr als 300 000 vorzeitige Todesfälle der Belastung durch Luftverschmutzung zuzurechnen sind". Trotzdem wurde der Vorschlag direkt aus dem Europaparlament kritisiert - aus zwei Richtungen. Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss klagte, der Entwurf sei "unambitioniert" und "ein Armutszeugnis".

Der CDU-Abgeordnete Jens Gieseke sagte dagegen, er lehne "strengere Grenzwerte für Auspuffemissionen ab". Schließlich habe die EU ein Verbot für Neuzulassungen mit Verbrennungsmotor im Jahr 2035 beschlossen; die Hersteller konzentrierten sich daher auf den Elektroantrieb: "Ein weiterer Investitionszwang in eine in Europa auslaufende Technologie ist vor diesem Hintergrund einfach das falsche Signal", sagte der Verkehrspolitiker. Sprich: Die Konzerne sollen nicht mehr in bessere Verbrennungsmotoren investieren müssen.

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