Süddeutsche Zeitung

Aufsichtsrat:Wer die Deutsche Bank künftig kontrolliert

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Nach langer Suche hat die Deutsche Bank einen Nachfolger für Aufsichtsratschef Paul Achleitner gefunden. Die Personalie ist eine Überraschung.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

In einem Punkt hat Paul Achleitner Wort gehalten, sein Nachfolger wird "jemand mit W": Der Niederländer Alexander Wynaendts soll Aufsichtsratschef der Deutschen Bank werden und damit einen der Schlüsselposten der deutschen Bankenlandschaft übernehmen. Am Sonntag stellte sich Wynaendts dem Aufsichtsrat in einer Zoom-Konferenz vor, auf der Hauptversammlung im Mai soll er gewählt werden.

Die Nominierung ist eine Überraschung. In der Frankfurter Finanzszene kursierten seit Monaten Kandidatennamen, allesamt Herren "mit W" - und allesamt bereits Mitglieder des Aufsichtsrats der Deutschen Bank: Achleitners Favorit war eigentlich Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer, aber auch Frank Witter, früher VW-Finanzvorstand und Ex-Chef der Finanztochter des Autokonzerns, oder Norbert Winkeljohann, früher Deutschland-Chef der Wirtschaftsprüfungsfirma PwC und heute auch Aufsichtsratschef von Bayer, standen auf Liste. Weimer indes sagte ab, Winkeljohann galt als ausgelastet und Witter aus Sicht der Aufsicht offenbar als nicht ausreichend qualifiziert. Fast schien es, als finde sich mal wieder niemand und als würde Achleitner am Ende noch einmal verlängern wollen. Die Bankenaufseher der EZB jedenfalls wurden bereits ungeduldig. Geleitet hatte die Suche dann die Chefin des Nominierungsausschusses, Mayree Clark.

Dass Achleitner sein Amt tatsächlich abgibt, dürfte viele Investoren freuen. Der 65-jährige Österreicher gibt zwar gerne vor, ein bestelltes Haus zu hinterlassen, tatsächlich aber erlebte die Bank unter seiner Aufsicht einen beispiellosen Niedergang: Sie häufte Verluste von zwölf Milliarden Euro an, entsprechend sank der Aktienkurs um mehr als 70 Prozent. Statt des propagierten Kulturwandels leistete sich das Institut auch unter Achleitners Ägide immer wieder teure Skandale. Außerdem werden ihm zahlreiche personelle Fehlentscheidungen angelastet, allen voran sein langes Festhalten am früheren Vorstandschef Anshu Jain gilt als Kardinalfehler und Grund, warum die Bank den Neuanfang verschleppt hat.

Wird es Wynaendts nun besser machen? Zuletzt war der 61-jährige Chef des Versicherers Aegon, den er zwölf Jahre lang führte. Er übernahm den Chefposten 2008 und musste mit ansehen, wie der Konzern in der Finanzkrise drei Viertel seines Wertes einbüßte. Obwohl er das Unternehmen kräftig umbaute, zahlreiche Übernahmen und Verkäufe einfädelte und es wieder in die Gewinnzone brachte, verlor die Aktie während seiner Amtszeit rund 80 Prozent. Zudem gehört er mehreren Aufsichts- und Verwaltungsräten an, etwa bei der US-Bank Citigroup, bei Uber, Air France-KLM und Salesforce. Seine Bankerfahrungen dagegen liegen schon einige Jahre zurück: Bevor er 1997 zu Aegon kam, arbeitete Wynaendts im Investmentbanking und im Private Banking von ABN Amro. Seinen Job im Kontrollgremium der Citigroup wird er aufgeben, hieß es. Wynaendts wuchs als Sohn einer niederländischen Diplomatenfamilie in Beirut, Jakarta und Brüssel auf. Er spricht Indonesisch, Spanisch, Deutsch, Französisch und Englisch.

"Er soll kontrollieren, nicht nur unterstützen"

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sagte, Wynaendts verfüge über große Erfahrung in der Finanzbranche und ein hervorragendes Netzwerk. Wynaendts selbst ließ sich damit zitieren, die Deutsche Bank sei gut aufgestellt. Er werde alles dafür tun, das Führungsteam und alle ihre Mitarbeiter bei der weiteren erfolgreichen Umsetzung ihrer Strategie zu unterstützen.

In Investorenkreisen war allerdings zu hören, Wynaendts Aufgabe bestehe wohl weniger darin, "das Führungsteam zu unterstützen", er solle es vielmehr kontrollieren und auch die Interessen der Aktionäre vertreten. Auf der Habenseite dürfte zwar stehen, dass Wynaendts nicht Teil des deutschen Klüngels sei, wo sich befreundete Vorstände und Aufsichtsräte die Posten zuschieben. Als problematisch könnte sich allerdings erweisen, dass er wenig Erfahrung im Investmentbanking vorweisen könne. Seit jeher haben bei der Deutschen Bank mächtige Investmentbanker in New York oder London das Sagen, denen es oft in erster Linie darum geht, sich hohe Boni auszuzahlen. Wenn sich Geschäfte später als verlustreich erweisen oder Strafen fällig werden, ist es oft schwer, diese Boni zurückzuverlangen. Das hat sich auch unter Sewing nicht geändert.

Wenn Wynaendts im Mai sein Amt antritt, wird er auch über die neuen Ziele des Geldhauses befinden müssen. Sewing hatte im Sommer 2019 eine Strategie ausgerufen, die im Wesentlichen darin bestehen sollte, die Abhängigkeit der Bank vom schwankungsanfälligen Investmentbanking zu reduzieren und das Firmenkundengeschäft auszubauen, die Kosten zu kürzen und aus dem Aktienhandel auszusteigen. 2022 will sich Sewing daran messen lassen, ob die Strategie aufgeht und die Bank dauerhaft profitabel wird.

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