Süddeutsche Zeitung

Japan:Reisen auf Staatskosten

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Japans Regierung will den inländischen Tourismus mit Zuschüssen ankurbeln. Doch das großzügige Angebot begeistert längst nicht jeden.

Von Thomas Hahn

Es stehen vier entspannte Tage bevor in Japan. Am Donnerstag feiert der Inselstaat den Tag des Meeres. Am Freitag ist der Tag des Sports, der extra aus dem Oktober vorgezogen wurde, weil am 24. Juli ja mal die - mittlerweile verschobenen - Olympischen Spiele in Tokio beginnen sollten. Und zu dem langen Wochenende kommt ein großzügiges Angebot des Staates. Am Mittwoch hat die sogenannte Go-to-Travel-Kampagne begonnen. Japans Regierung gibt bis 31. August Gutscheine und Rabatte für Inlandsreisende aus, um der Tourismusbranche in der Pandemie zu helfen. Beste Voraussetzungen also, um ein bisschen abzuschalten. Oder?

Die Stimmung könnte besser sein, denn großzügig zu sein ist in diesen Coronavirus-Tagen nicht so einfach, wie die Regierung des rechtskonservativen Premierministers Shinzō Abe feststellen muss. Subventionierter Konsum ist für sie ein wichtiges Werkzeug, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die Go-to-Travel-Kampagne lässt sie sich 1,35 Billionen Yen kosten, knapp elf Milliarden Euro. Nachlässe bis zu 50 Prozent auf Transport, Hotels, Museen und so weiter sind vorgesehen. Nach Monaten mit geschlossenen Betrieben und Aufrufen zum Daheimbleiben, sollen die Leute wieder raus und Geld ausgeben. Die Fremdenverkehrsbranche freut sich, zumal wegen des Einreisestopps keiner weiß, wann wieder ausländische Touristen kommen.

Allerdings hat die Abe-Administration die Rechnung ohne das Coronavirus gemacht. Als sie Ende Mai nach sieben Wochen des gesellschaftlichen Fast-Stillstands den Notstand für beendet erklärte, schien das Virus fast besiegt zu sein. Man lobte sich für effektive Epidemie-Bewältigung mit relativ wenigen Coronavirus-Tests. Noch in der Entstehungsphase der Go-to-Travel-Kampagne schien Japan aus dem Gröbsten raus zu sein.

Aber seit Tagen weist vor allem Tokio sehr viele Neuinfektionen auf; am Mittwoch waren es 238. Mehr Tests sind wohl der Grund für die höheren Werte vor allem bei jüngeren Leuten. Aber viele Einheimische und Regionalpolitiker finden es plötzlich keine schöne Aussicht mehr, Gäste aus der Hauptstadt zu empfangen. Die Regierung reagierte: Reisen von und nach Tokio sind von dem Angebot ausgeschlossen. "Wäre nicht nötig gewesen", sagt Shōgo Arai, Gouverneur der Präfektur Nara, die Gäste aus Japans größter Metropole gut gebrauchen könnte. "Vernünftig", urteilt hingegen Yoshinobu Nisaka, Gouverneur der Nachbar-Präfektur Wakayama. Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit das ganze Programm gerade unpassend findet. Reiseanbieter sind verwirrt. Die Behörden dürfte eine Flut von Storno-Rechnungen aus Tokio erwarten. Alles wirkt ein bisschen chaotisch.

Shinzō Abe bleibt bei seinem Kurs, auch ohne Tokio. "Mit jedermanns Kooperation wollen wir die Aktivitäten wieder aufnehmen", sagt er. Eine kleine Schwester der Go-to-Travel-Kampagne ist schon in Arbeit: Das Agrarministerium hat die Go-to-Eat-Kampagne zwar verschoben. Aber die Ausschreibung läuft. Ab Ende August dürfte es in registrierten Gaststätten 25-Prozent-Gutscheine auf Speisen und Getränke geben. Dann kann jeder in Japan mit staatlicher Förderung essen gehen.

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SZ vom 23.07.2020
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