Süddeutsche Zeitung

Chinesische Netz-Technik:Berlin steckt wegen Huawei in der Zwickmühle

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Die Bundesregierung will prüfen, ob die Technik des chinesischen Netzwerkausrüsters sicher ist. Etliche Behörden sind skeptisch, zudem machen die USA und China Druck.

Von Christoph Giesen, Peking, und Georg Mascolo, Berlin, Peking/Berlin

Seit Anfang Oktober tagt im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI, eine besondere Task Force. Ihr Name ist ebenso kurz wie prägnant "5 G" und ihre Aufgabe ist es, den Zukunftsstandard des mobilen Internets auf seine Sicherheit hin zu überprüfen. Aus der Gruppe sollen alsbald ordentliche Referate werden, die dann in der zuständigen Abteilung SZ - das steht für "Standardisierung und Zertifizierung" - Hardware und Software auf Schwachstellen überprüfen. Was nach mäßig spannendem Verwaltungshandeln klingt, ist tatsächlich eine hochpolitische Frage. Die Bundesregierung bis hinauf zur Kanzlerin will mit diesem Vorgehen gewährleisten, dass auch Branchenriesen wie der umstrittene chinesische Telekommunikationskonzern Huawei beim milliardenschweren Ausbau der Netze zum Zuge kommen könnten. Denn: Berlin steckt in der Zwickmühle.

Seit Monaten verlangen die Amerikaner den Verzicht auf chinesische Technik. Die jüngste Zuspitzung: Die US-Telekommunikationsbehörde FCC will Huawei und den chinesischen Wettbewerber ZTE als "Gefahr für die nationale Sicherheit" einstufen lassen. Auf der anderen Seite macht Peking Druck. In Berlin fürchtet man bei einem Ausschluss der Chinesen Repressalien gegen deutsche Firmen in China. Die Bundesregierung ist deshalb auf der Suche nach einem Mittelweg. Etwa mit dem neuen Katalog für die hochkomplexen Sicherheitsanforderungen. Huawei und die anderen Firmen müssen eine Erklärung über ihre Vertrauenswürdigkeit abgeben. Alles werde dann doppelt und dreifach überprüft, verspricht BSI-Präsident Arne Schönbohm, der das Prozedere mit einem Gesundheitscheck vergleicht: "Es genügt nicht, dass jemand sagt, er sei gesund. Wir sind der Doktor, der sich das noch mal anschaut." Allerdings wartet Schönbohm noch immer auf die Zusage für die 100 Stellen, die er für diese Überprüfung fordert.

Gegen das jetzt gewählte Verfahren regt sich jedoch Widerstand, er kommt von Politikern ebenso wie von technischen Experten. So meldete sich gerade erst via Handelsblatt eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten um den einflussreichen außenpolitischen Sprecher der Unions-Fraktion Norbert Röttgen zu Wort. Eine Frage solcher Bedeutung müsse durch den Bundestag entschieden werden, es gehe um die "allgemeinen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik" und um das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung jedes einzelnen Bürgers". Niemand könne den Chinesen vertrauen, soll das heißen. Weder der Staat, noch seine Bürger.

Die Abgeordneten verweisen darauf, dass ein "Großteil der Experten, einschließlich der Nachrichtendienste" einig seien - eine Überprüfung durch das BSI schütze nicht vor einer Manipulation. Tatsächlich hat etwa der BND diesen Standpunkt vertreten und daran erinnert, dass dies bereits seit 2011 aktenkundig sei. An diesem Dienstag wiederholte BND-Präsident Bruno Kahl in einer Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums die Auffassung seiner Behörde: Der BND sei "zu dem Schluss gekommen, dass die Infrastruktur kein tauglicher Gegenstand ist für einen Konzern, dem man nicht voll vertrauen kann", sagte Kahl. Auch das Auswärtige Amt votiert intern für einen Ausschluss der Chinesen. Selbst im Kanzleramt weiß man, dass der Widerstand gegen China noch immer beträchtlich ist. In allen Fraktionen gibt es Skeptiker.

Etwa Margarete Bause von den Grünen. Seit Monaten versucht sie herauszufinden, wie Absprachen zwischen Berlin und Peking funktionieren, um Spionage im Internet zu reduzieren. Doch die gemeinsame Absichtserklärung zu dem sogenannten Cyberkonsultationsmechanismus darf sie nicht lesen. "Statt mir als Mitglied des Bundestags die in Teilen geschwärzte Einsicht in der Geheimschutzstelle zu ermöglichen, verweist das Bundesinnenministerium darauf, dass es dafür erst die Zustimmung der Volksrepublik China benötige", klagt Bause. "Leider liegt uns bisher noch keine Antwort der chinesischen Seite vor", teilt das Ministerium in Berlin mit.

Bereits 2012 wurde von Industrie und Minister eine Überprüfung sicherheitsrelevanter Technik angedacht. Bedenken hatte nur die Politik.

Wie sooft im Umgang mit Peking rückt daher die Frage in den Vordergrund, wie gut die Überprüfungen am Ende überhaupt sein können. Zu den kuriosen Entwicklungen gehört, dass nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR ausgerechnet die Bundesregierung solche Überprüfungen in der Vergangenheit höchst skeptisch sah und sogar davor warnte. 2012 diskutierte der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit der Industrie über die Idee eines "Testcenters für kritische Infrastruktur-Komponenten", aber im eigenen Haus waren die Bedenken groß. "Durch das Testcenter können auch Produkte von kritisch eingestuften Herstellern (z.B. Huawei, ZTE) eine sicherheitskritische Eignung bescheinigt bekommen." Es geht um just jene chinesischen Hersteller, die in den USA bald zur "Gefahr der nationalen Sicherheit" erklärt werden könnten.

Weiter hieß es im Vermerk von 2012: "Das ist problematisch, weil auch in ausführlichen Tests nicht alle Fehler oder Schadfunktionen gefunden werden können." In einem anderen Papier urteilten die Beamten damals gar, die "Vertrauenswürdigkeit des Herstellers kann in der Regel nur bei Unternehmen mit Sitz und Fertigungsschwerpunkt in Deutschland beurteilt werden".

Fragt man das Ministerium heute, so erfährt man, dass es keinen Grund gebe, die Aussagen "zu revidieren". Die Zertifizierung sei ein "wichtiger Bestandteil," aber könne "nicht alle Gefahren zu 100 Prozent ausschließen". Deshalb dürfe man sie nicht "losgelöst" von weiteren beabsichtigten Maßnahmen sehen. Einige würden erst mit der Änderung des Telekommunikationsgesetzes erkennbar - wenn generelle Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit eines Herstellers bestünden, könnten dessen Komponenten in kritischen Bereichen als "Ultima Ratio" ausgeschlossen werden.

"Die Politik duckt sich weg", kritisiert dennoch Martin Schallbruch, einst IT-Direktor im Innenministerium und heute einer der führenden deutschen Cybersicherheitsexperten. "Sie erweckt den Eindruck, das Problem der Vertrauenswürdigkeit von Huawei-Komponenten könnte durch technische Prüfungen gelöst werden." Tatsächlich aber, so sagt es Schallbruch, müsse eine politische Entscheidung getroffen werden.

Einmal hat die Bundesregierung eine solche Entscheidung bereits getroffen, es ging um die Einrichtung ihres eigenen internen Kommunikationsnetzes. Betrieben wird es von der Telekom. Berlin legte fest, dass keinerlei chinesische Bauteile verwendet werden dürfen.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2019
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