Süddeutsche Zeitung

Brauerei Maisel:Unser Bier

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Die vierte Generation der Brauerfamilie Maisel behauptet sich im Wettbewerb mit internationalen Getränkekonzernen.

Silvia Liebrich

In einem Punkt ist sich der Bierunternehmer Jeff Maisel zu hundert Prozent sicher: Der Verkauf der Firma käme für ihn nicht in Betracht. "Ich möchte dieses Unternehmen erfolgreich in die nächste Generation führen", sagt der Chef der renommierten Weißbier- Brauerei Maisel. Diesen Weg vergleicht der 39-Jährige mit einem Marathonlauf, bei dem es vor allem auf eines ankommt: das Ziel zu erreichen. In seinem Fall bedeutet dies, die Firma an eine fünfte Maisel-Generation weiterzugeben.

Für den Geschäftsführer des Familienunternehmens keine leichte Aufgabe: mittelgroße Brauereien wie Maisel werden es auf dem schrumpfenden deutschen Biermarkt besonders schwer haben. Auch hierzulande wird der Brauereisektor zunehmend von Großkonzernen dominiert. Von den 1300 Brauern wird nach Ansicht von Experten ein Teil auf der Strecke bleiben. Schon heute kämpfen viele Hersteller angesichts steigender Rohstoff- und Energiekosten ums Überleben.

Ein Stück Heimat im Glas

Die Weißbiermarke aus Bayreuth behauptet sich in diesem Wettbewerb. Der Marktanteil nahm eigenen Angaben zufolge in den vergangenen Jahren sogar leicht zu, vor allem in der Gastronomie. Getrunken wird Maisel's Weisse nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Spanien, Italien - überall da, wo deutsche Urlauber ein Stück Heimat im Glas nicht missen wollen. Der Jahresumsatz liegt bei etwa 35 Millionen Euro. Der Gewinn sei zufriedenstellend, sagt Maisel. Ertragszahlen will er nicht nennen. Stattdessen verweist er auf eine solide Eigenkapitalquote von 40 Prozent.

Jeff Maisel hat mitverfolgt, wie andere Familien-Brauereien ihre Selbständigkeit aufgeben mussten. Ein negatives Beispiel ist für ihn die norddeutsche Brauerei Beck's. Der heillos zerstrittene Familienclan verkaufte 2002 die erfolgreiche Marke an Inbev. Der belgisch-brasilianische Konzern ist seit der Übernahme des US-Rivalen Anheuser-Busch vor wenigen Monaten die unumstrittene Nummer eins in der Welt des Bieres.

Der neue Eigner fährt seit der Übernahme einen harten Sparkurs am Beck's-Stammsitz in Bremen. Größere Teile der Verwaltung wurden nach Tschechien und Ungarn verlagert, wie ein Inbev-Sprecher bestätigt. Teilweise wird sogar im Ausland produziert. "So etwas nennt sich dann deutsche Bierkultur. Da muss man sich schon fragen, ob das noch authentisch ist", meint Maisel. Für ihn käme eine Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland nicht in Frage, sagt er. Die 160 Stellen am Firmensitz in Bayreuth will er erhalten, am liebsten sogar noch ausbauen, wenn die Absatzzahlen stimmen.

Unter den deutschen Weißbierherstellern steht Maisel an vierter Stelle. Die fränkische Brauerei nimmt für sich in Anspruch, die spritzige Biersorte auf dem deutschen Markt eingeführt zu haben. 1955 wurde es als sogenanntes "Champagner-Weizen" erstmals angeboten - eine Bezeichnung, die französische Champagner-Produzenten jedoch schon bald per Gerichtsbeschluss untersagen ließen.

Das Bier wurde umgetauft, in Maisel's Weisse. Inzwischen umfasst das Sortiment sechs verschiedene Weißbiersorten, 410.000 Hektoliter wurden im vergangenen Jahr verkauft, Tendenz steigend. Im Gegensatz zu anderen Biersorten, etwa Pils, gilt Weißbier noch als Wachstumssegment.

Viele Familienbetriebe scheitern häufig schon in der zweiten oder dritten Generation, unter anderem, weil kein geeigneter Nachfolger in Sicht ist. In Deutschland gilt das für beinahe jeden dritten mittelständischen Betrieb. Sind jedoch mehrere Erben vorhanden, verstricken sich diese nicht selten in Machtkämpfe, die das Unternehmen handlungsunfähig machen und an den Rand des Zusammenbruchs treiben können. Ein Verkauf ist dann häufig der einzige Ausweg.

Die Vorfahren von Jeff Maisel schoben dem einen Riegel vor. Als die Brüder Eberhardt und Hans Maisel die Brauerei 1887 gründeten, stellten sie bereits die Weichen für kommende Generationen. Nur zwei der Nachkommen sollten das Unternehmen erben und gemeinschaftlich leiten. Alle anderen werden abgefunden. Bei wichtigen Entscheidungen für die Firma müssen sich die Geschäftsführer immer einig sein. Damit schlossen die Gründer aus, dass im Streitfall Firmenanteile an Dritte veräußert werden.

Der Vater ist Ratgeber

Voraussetzung für eine Anwartschaft auf einen Chefsessel bei Maisel ist heute ein Mindestalter von 25 Jahren und eine solide Ausbildung, wenn nicht als Braumeister, dann zumindest als Jurist oder Betriebswirt. Auch Jeff Maisel erfüllt diese Kriterien: Zuerst studierte er BWL in den USA, der früheren Heimat seiner Mutter. Später ließ er sich in Weihenstephan zum Brauingenieur ausbilden. 1996 stieg er dann in die Brauerei ein, seit 1998 ist er Geschäftsführer.

Sein Lebensweg war vorgezeichnet. "Ich hatte aber nie das Gefühl, eingeengt zu sein", sagt er. Sanften Druck bekam er trotzdem zu spüren. So musste er während der Schulferien im Betrieb die unterschiedlichsten Jobs übernehmen, auch die unbequemen, wie Flaschen sortieren oder Bierzelte aufbauen. Geschadet habe ihm das nicht, meint er, im Gegenteil: "Man bekommt ein Verständnis dafür, was die Leute leisten." Etwa der Bierfahrer, der nach seinen Worten einen Knochenjob macht, genauso wie der Mann an der Abfüllanlage, der in der Stunde bis zu 60000 Flaschen abfertigt.

Daneben habe man ihm seine Freiheiten gelassen, betont er, etwa das Fußballspielen im SC Kreuz Bayreuth oder sein Studium in den Staaten, in Charleston, South Carolina. Zu verdanken hat er die Führung an der langen Leine seinem Vater, der die Brauerei bis vor wenigen Jahren mit dem Onkel leitete. Denn im Gegensatz zu seinem Sohn Jeff hatte sich Oscar Maisel zunächst gegen die Firma entschieden, vor allem weil der Erwartungsdruck zu groß war.

Zunächst ging Oscar Maisel nach Schweden, dann nach Spanien, und schließlich in die USA, wo er unter anderem bei Anheuser-Busch am Sudkessel stand. Als er 1955 wieder zurückkam, war es sein Bruder Hans, der ihn davon überzeugte, doch wieder in die Firma einzusteigen. Eine Partnerschaft, die bis heute funktioniert. Die früheren Geschäftsführer - heute 78 und 80 Jahre alt - sind nach wie vor fast jeden Tag in der Brauerei anzutreffen.

Für Jeff Maisel sind sie wichtige Ratgeber, erst recht seit dem frühen Tod seines Cousins Andreas, mit dem er sich bis vor einem Jahr die Geschäftsführung teilte. Damit trat eine Situation ein, die so nicht vorhersehbar war. Maisel wird die Geschäfte wohl noch mindestens zwei Jahrzehnte im Alleingang führen, bis die Kinder seines Cousins und sein eigener Sohn so weit sind, selbst in die Firma einzusteigen. Eine Verantwortung, die ihn manchmal belaste, sagt er.

Keine Option wäre für ihn ein starker Partner von außerhalb. "Das hat sich nicht bewährt", sagt Maisel im Hinblick auf die gescheiterte Beteiligung der Bielefelder Veltins-Brauerei, ebenfalls ein Familienunternehmen. Sie hielt von 2001 bis 2005 einen Anteil von 35 Prozent an dem fränkischen Brauer. "Viele hatten damals gedacht, dies wäre nur ein erster Schritt, um den Rest auch noch zu verkaufen." Das sei jedoch nie der Plan gewesen, beteuert er. Man habe sich von der Partnerschaft eine Stärkung des Vertriebs in ganz Deutschland versprochen. Die Rechnung ging nur teilweise auf. Zwar konnte Maisel seinen Marktanteil ausbauen. Doch es kam zu Reibereien über die strategische Ausrichtung der Bayreuther Brauerei. Schließlich einigte man sich, Maisel kaufte die Anteile zurück. Die Kooperation im Vertrieb besteht weiter. "Wir sind froh, wieder unabhängig zu sein", sagt Jeff Maisel.

Erfahrung statt Werbung

Die Zukunft sieht er für die Familienbrauerei in der Selbständigkeit. Der Weißbierhersteller muss sich dabei in einem Markt behaupten, in dem deutliches Wachstum nur möglich ist, wenn es gelingt, anderen Wettbewerbern Marktanteile abzunehmen. Ein Hersteller wie Maisel mit überregionalen Ambitionen muss dafür einen großen Aufwand betreiben. Allein die Kosten für den Vertrieb sind immens. Aufwendige und teure Werbeaktionen kann sich der Mittelständler nicht leisten, im Gegensatz zu Konkurrenten, die den Rückhalt finanzstarker Großkonzerne haben, wie etwa die Münchner Franziskaner-Brauerei, die wie Beck's zum Inbev-Konzern gehört.

Einschüchtern lässt sich Maisel von der scheinbar übermächtigen Konkurrenz jedoch nicht: "Generationen von Weißbierpflege können nicht durch millionenschwere Werbebudgets ersetzt werden", ist er sich sicher. "Wir wollen langfristig solide arbeiten und setzen nicht alles auf eine Karte." Als eine langfristige Investition sieht er beispielsweise die neue Abfüllanlage für traditionelle Bügelflaschen, die bei Biertrinkern immer beliebter werden. Viele Hersteller scheuen die Ausgaben für eine solche Anlage und lassen lieber außer Haus abfüllen. Nicht so bei Maisel. "Wir sichern damit Arbeitsplätze am Stammsitz und nicht irgendwo anders", sagt der Firmenchef.

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SZ vom 02./03.10.20087/hgn
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