Süddeutsche Zeitung

Elektromobilität:So will die Politik die Batterieproduktion in Europa voranbringen

Lesezeit: 3 min

Von Max Hägler, München, und Leo Klimm, Paris, München/Paris

Es sind drei Herren mittleren Alters, drei Krawatte-und-Anzugträger par excellence, die am Donnerstag den dynamischen Aufbruch in eine neue Ära verkörpern wollen. Die Wirtschaftsminister Deutschlands und Frankreichs, Peter Altmaier und Bruno Le Maire, haben sich in Paris mit Maros Sefcovic zusammengefunden, dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, um Großes zu verkünden. Sie wollen die Aufholjagd Europas bei der Produktion von Batteriezellen für E-Autos starten, dem wertvollsten Teil dieser neuen Wagen-Generation: Bis zu 1,2 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern, erklären die Herren, werden Deutschland und Frankreich an ein Konsortium verteilen, damit dieses eine Zellfertigung aufbaue.

Die EU-Kommission werde die Subventionen schon im Herbst genehmigen. An dem Konsortium beteiligt seien der deutsche Autohersteller Opel, dessen Pariser Mutterkonzern PSA, sowie das französische Unternehmen Saft, eine Tochter des Erdölmultis Total, sagt Le Maire. Die Unternehmen selbst sollten mindestens weitere vier Milliarden Euro investieren. Schon 2020 werde eine "Pilotfabrik" in Frankreich den Betrieb aufnehmen. Später sollten beiderseits des Rheins Werke mit 1500 Mitarbeitern entstehen, so der französische Minister. In Branchenkreisen heißt es, in Deutschland könnten die Investitionen dem Opel-Werk in Kaiserslautern zugute kommen. Das wäre eine gute Nachricht für die Fabrik in der Pfalz, die nicht zuletzt wegen der Dieselkrise Auslastungsprobleme hat.

Die Unternehmen, die das Konsortium bilden sollen, wirken am Donnerstag, als sei die Ankündigung etwas überhastet. "Wir prüfen das Projekt. Bevor es keine offizielle Beihilfegenehmigung aus Brüssel gibt, fällt keine Entscheidung", sagt ein PSA-Sprecher. Altmaier, Le Maire und Sefcovic stört das nicht. Sie feiern sich selbst: "Wir erleben einen wichtigen, vielleicht entscheidenden Tag, wenn es um die industrielle Selbstbehauptung Europas geht", sagt Altmaier. Der Kontinent müsse den Anspruch haben, auch im Zeitalter des E-Autos, "die besten und erfolgreichsten Autos der Welt zu bauen." Le Maire bejubelt "eine bedeutende Etappe in der langen europäischen Industriegeschichte." Kleiner geht es an diesem Tag nicht.

Die Frage, wer die Batterien baut, ist in der Tat von strategischer Wichtigkeit für Europas Autohersteller. Nach Angaben der EU-Kommission kommen heute acht von zehn Zellen aus Asien. Mit Einführung strengerer Abgasnormen ab 2020 könnte die Nachfrage nach E-Autos deutlich steigen. Um zugleich die Abhängigkeit von Asien zu verringern, hat Sefcovic die Entwicklung europäischer Fertigungskapazitäten angestoßen. Insgesamt 70 Milliarden Euro aus privaten und öffentlichen Kassen könnten in europäische Werke fließen, so der Wunsch des Kommissars. Bis zu drei Millionen Arbeitsplätze könnten entstehen. Die Autohersteller dagegen betonen, die Umstellung auf Elekroantriebe werde eher Jobs kosten.

Trotzdem nimmt das erste Batterieprojekt nun mit dem deutsch-französischen Vorhaben Gestalt an. Alle Seiten betonen, es sei für weitere Konsortialpartner offen. Altmaier zufolge dürfte sich daneben ein zweites Bündnis mit deutscher Beteiligung formieren, das dann mit Bundesmitteln gefördert werden soll. Dabei könnte es sich um eine Allianz aus Volkswagen und dem schwedischen Anbieter Northvolt handeln, heißt es in der Branche.

Die Industrie zeigte sich lange zurückhaltend über die Batteriepläne der Politik. Daimler etwa stellte zwar schon früh Zellen her. Doch diese waren nicht wettbewerbsfähig. Erst in einigen Jahren, wenn eine neue Technologie - Feststoff-Batterien - serienreif würde, werde das Spiel wieder spannend, lautete deshalb bis vor Kurzem die verbreitete Schlussfolgerung in der Industrie.

Die europäische Industrie scheut Investitionen bislang, weil die Konkurrenz enteilt ist

Angesichts des Rückstands auf die Asiaten bei der heute gängigen Lithium-Ionen-Technologie scheuen die Hersteller bisher Investitionen, zumal auch die Rohstoffe teuer sind. Doch inzwischen zeigen der andauernde politische Druck und die großzügig bemessenen Subventionen Wirkung: E-Autos werden kommen. Damit verbunden ist ein hoher Bedarf an Batterien.

Die Zellen aus der deutsch-französischen Produktion um Opel werden in den ersten Jahren der Technologie der Asiaten entsprechen, glaubt Le Maire, "aber besser sein". Ab 2025 dann solle das Konsortium Feststoff-Speicher liefern. Ziel sei, dass die gesamte Wertschöpfung dieser Zukunftstechnologie - von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zum Recycling der Batterien - von europäischen Unternehmen erbracht werde. Auch die Software zum Ein- und Ausbau der Speicher, bisher eine US-Domäne, solle aus Europa kommen.

Bedenken, die Steuermilliarden für Batterien könnten ein industriepolitisches Fiasko bereiten, wie es einst die Förderung von Solarzellen war, wischen die drei Politiker am Donnerstag schnell beiseite. "Wir investieren, weil das ein Wunsch der Industrie ist", behauptet Le Maire. Die europäischen E-Auto-Batterien könnten gegen die asiatische Konkurrenz bestehen.

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SZ vom 03.05.2019
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