Süddeutsche Zeitung

Anbindung von Offshore-Windparks:Ilse Aigner macht Wind

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Die Bundesregierung will die Energiewende schnell umsetzen und Windparks ans Stromnetz anbinden. Wenn Seekabel zu spät fertig werden, sollen Stromkunden haften. Verbraucherministerin Aigner passt das nicht, sie hält das Gesetz auf. Hinter dem Streit könnte mehr stehen als nur Verbraucherschutz - nämlich die Interessen von Aigners Heimat.

Michael Bauchmüller

Die Bundesregierung steht vor einem herben Rückschlag für ihre Energiewende. Ein Gesetz zur erleichterten Anbindung von Windparks zur See trifft nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auf erbitterten Widerstand des Verbraucherschutzministeriums - dabei sollte es schon nächste Woche das Bundeskabinett passieren. Stattdessen fordert das Ministerium der CSU-Politikerin Ilse Aigner nun eine Überarbeitung des Entwurfs.

"Eine kurzfristige Befassung des Kabinetts" sei aus Sicht des Ministeriums "nicht möglich", heißt es in der Stellungnahme zum Gesetz. "Es bedarf vielmehr einer weiteren Prüfung und Beratung eines neuen Entwurfs."

Gerade in Norddeutschland wird das Gesetz sehnlichst erwartet. Dort ist bislang unklar, ob sich überhaupt private Investoren für die neuen Stromleitungen ins Meer finden. Der niederländische Netzbetreiber Tennet, zuständig für die Leitungen in die Nordsee, sieht sich davon allein überfordert. Die Lage ist verfahren: Einerseits ist Tennet zum Anschluss neuer Windparks verpflichtet. Andererseits übersteigen die milliardenschweren neuen Stromleitungen das Eigenkapital des Staatskonzerns um ein Vielfaches. Private Investoren zögern jedoch, Geld in die Seekabel zu stecken. Denn bisher ist unklar, welches Risiko sie eingehen, sollte ein Kabel nicht rechtzeitig fertig werden - also ein ebenfalls milliardenschwerer Windpark ohne Anschluss im Meer herumstünde.

Neue Haftungsregeln, ausgehandelt zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium, sollten das Problem nun lösen. Danach würde ein Netzbetreiber wie Tennet nur bei vorsätzlichen Verzögerungen haften. In allen anderen Fällen hingegen sollte eine Art Vollkasko-Versicherung die Haftung übernehmen - finanziert von den Stromkunden. Bis zu 0,2 Cent je Kilowattstunde könnte der Strompreis damit steigen. Für einen Durchschnittshaushalt wären das rund sieben Euro im Jahr.

In Bayern genießen die Windparks wenig Sympathien

Vor allem an diesen Regeln stößt sich das Verbraucherschutzministerium. Verpflichtungen privater Unternehmen würden "fast vollständig und faktisch ohne jede Begrenzung in unbekanntem Ausmaß von der Gesellschaft und konkret von den Stromverbrauchern übernommen", heißt es in der Stellungnahme. "Dies ist im Interesse der Verbraucher nicht hinnehmbar."

Auch die Strompreis-Privilegien für Industriebetriebe, bislang von der Bundesregierung geschlossen verteidigt, greift das Aigner-Ministerium scharf an. Es sei "nicht akzeptabel, dass die Kosten zum großen Teil durch private Letztverbraucher und kleinere Unternehmen finanziert werden sollen, während größere Unternehmen von Belastungen weitgehend freigestellt bzw. bevorteilt werden sollen", heißt es weiter. Über die Bereitschaft von Umwelt- und Wirtschaftsministerium, notfalls höhere Strompreise in Kauf zu nehmen, sei das Ministerium "sehr erstaunt".

Hinter dem Streit könnte mehr stehen als nur Verbraucherschutz. In Südländern wie Bayern erfreuen sich die so genannten Offshore-Windparks begrenzter Sympathien. Schließlich wollen Bayern und Baden-Württemberg selber ihre erneuerbaren Energien stark ausbauen. Zur See entstünde so nur unliebsame Ökostrom-Konkurrenz.

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Quelle:
SZ vom 22.08.2012
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