Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Hotels erwachen aus der Krise

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Die Luxuskette Althoff eröffnet zwei neue Häuser und will weiter wachsen. Chef Frank Marrenbach hofft auf einen Boom der Inlandsreisen - und die Fußball-EM-Spiele in München.

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft am Samstag in München vor einigen Tausend Zuschauern gegen Portugal kickt, dann erhofft sich Frank Marrenbach auch wirtschaftlich etwas davon. Der Chef der Hotelgruppe Althoff hat kürzlich ein neues Haus der Marke Ameron eröffnet, integriert in die Oldtimerhalle Motorworld im Norden der Stadt. Wer unbedingt will, kann dort gar - von viel Glas getrennt - neben einem Sportwagen nächtigen. Oder es auch bleiben lassen. "Es zählt zu den nächstgelegenen Hotels an der Allianz-Arena", sagt Marrenbach. "Wir schaffen dort bis zu 90 neue Arbeitsplätze." Auch in Zürich hat Ameron jüngst ein neues Hotel am Seeufer eröffnet.

Es sind Zeichen des Aufbruchs inmitten dieser Krise: Monatelang mussten Hotels geschlossen bleiben oder durften nur Geschäftsreisende beherbergen, um Ansteckungen mit dem Coronavirus vorzubeugen. 2020 ging die Zahl der Beschäftigten in der Hotellerie erstmals seit Längerem zurück, auf noch immer mehr als 500 000 Menschen in Deutschland. Erst seit einigen Wochen freut sich die Branche über Lockerungen. Doch der wirtschaftliche Schaden ist beträchtlich: Meldete die Althoff-Gruppe in einem gewöhnlichen Jahr etwa 130 Millionen Euro Umsatz, habe man 2020 mehr als die Hälfte davon verloren. "Das muss man erst mal verkraften", konstatiert Marrenbach, an Gewinne sei nicht zu denken gewesen. "Wenn wir 2021 keinen weiteren Verlust machen, wäre das schon ein Erfolg", so Marrenbach.

Der Manager legte 2020, mitten in der Krise, einen überraschenden Wechsel hin: Er verließ die Hotelkette des Oetker-Konzerns, wo er Fünf-Sterne-Häuser von Frankreich bis in die Karibik verantwortete; Marrenbach hatte etwa in Brenners Park-Hotel in Baden-Baden schon so manchen US-Präsidenten empfangen. Stattdessen wechselte der gebürtige Düsseldorfer als Chef und Minderheitsgesellschafter zur Althoff-Gruppe. Zu ihr gehören Fünf-Sterne-Häuser wie das Seehotel Überfahrt am Tegernsee, aber eben auch die Vier-Sterne-Kette Ameron. "Ich habe auch in meinen früheren Stationen unternehmerisch gehandelt, aber ich war nicht selbst Gesellschafter", begründet der 54-Jährige den Wechsel. "Das ist jetzt anders, und da macht man sich noch mehr Gedanken als ein Angestellter." Allerdings habe sein neues Unternehmen nun weder Stellen abbauen noch betriebsbedingt kündigen müssen. "Kein Standort war zu irgendeinem Zeitpunkt in Gefahr", sagt Marrenbach. "Wir haben tragbare Lösungen mit unseren Verpächtern gefunden."

Das kann freilich nicht jede Hotelkette behaupten. Beispielsweise müssen Unternehmen wie Maritim oder Centro einen Teil ihrer Standorte verkaufen; zu viel Geld hatten sie in der Krise verloren. Die Branche kritisiert die komplizierten Verfahren für staatliche Hilfen. "Die Umsetzung war schwierig, man musste sich tief eindenken", moniert Marrenbach. Auch die Althoff-Gruppe habe viel Zeit gebraucht, bis sie die sogenannten November- und Dezemberhilfen überhaupt beantragt habe. Nach Ansicht des Managers wäre es "einfacher und gerechter", wenn der Staat Betriebe für entgangene Gewinne entschädige, die monatelang geschlossen bleiben mussten. Der Bund verwies hierbei allerdings auf Grenzen des Beihilferechts.

Die Frage sei, sagt Marrenbach: Finden es Bekannte noch cool, wenn jemand für drei Tage nach New York fliegt?

Hoffnung machte Marrenbach etwa die Lage in der Schweiz, wo touristische Reisen zu keinem Zeitpunkt verboten waren. Die Ameron-Hotels in Davos und Luzern seien zumindest an Wochenenden "gut bis sehr gut gebucht", sagt der Manager. Noch begrüße man freilich fast ausschließlich Gäste aus dem Inland. Langfristig sei Althoff wieder auf internationale Gäste angewiesen.

Ungewöhnliche Erfahrungen machte die Firma auch mit ihrem ersten "Urban Loft" in Köln, einem Hotel mit weniger Service als in den Sternehäusern, aber einigen Flächen zur gemeinsamen Nutzung, fast wie ein Co-Working-Space. Bereits im Februar hat Althoff das "Loft" wiedereröffnet. "Seitdem waren zum Glück einige Film- und Fernsehteams in der Stadt", sagt Marrenbach. "Wir geben dieser jungen Marke eine Chance, auch wenn wir damit anfangs Geld verlieren." Wichtig sei es etwa, dass das "Loft" erste Bewertungen im Internet erhalte.

"Die Hotellerie steckt in keiner strukturellen Krise, wie sie der Einzelhandel zum Teil erlebt", glaubt Marrenbach. Zwar erwartet er, dass die Zahl der internationalen Gäste erst 2023 wieder das Niveau vor Ausbruch der Pandemie erreichen dürfte. Im Gegenzug hofft der Hotelier aber auf einen ähnlichen Boom des Inlandstourismus, wie es ihn vorigen Sommer gab. "Viele Menschen werden sich künftig häufiger fragen, für welchen Anlass es sich wirklich lohnt wegzufliegen", glaubt Marrenbach. Das heiße nicht, dass niemand mehr verreisen würde. "Aber nicht jede Reise muss meilenweit sein." Das hänge auch davon ab, ob es der jeweilige Bekanntenkreis noch cool finde, wenn jemand beispielsweise für drei Tage nach New York fliege.

Marrenbach hält am Ziel des Firmengründers und Mehrheitseigentümers Thomas Althoff, 67, fest, wonach die Gruppe binnen zehn Jahren auf 30 bis 35 Hotels anwachsen könnte. "In erster Linie wollen wir in West-, Mittel- und Südeuropa wachsen", sagt der Geschäftsführer. Bislang sehe er zwar nicht, dass Hotelentwickler nun massenhaft Projekte verkaufen würden, die für Althoff interessant wären. "Aber wir können grundsätzlich Möglichkeiten nutzen", betont Marrenbach - Ausdruck des Selbstvertrauens eines Unternehmens, das in den vergangenen Jahren offenbar ausreichend Krisenvorsorge betrieben hat.

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