Süddeutsche Zeitung

Air-Berlin-Pleite:Niki-Übernahme durch Lufthansa in Gefahr

Lesezeit: 3 min

Von Jens Flottau, Frankfurt, und Thomas Kirchner, Brüssel, Frankfurt/Brüssel

Die geplante Übernahme der Air-Berlin-Tochtergesellschaft Niki durch die Lufthansa steht vor dem Aus. Nach Informationen aus Branchenkreisen tendiert die Europäische Kommission dazu, den Kauf des Unternehmens zu verbieten, um eine marktbeherrschende Stellung der Lufthansa im deutschen Luftverkehrsmarkt zu verhindern. Die Kommission plant, sich am 7. Dezember offiziell zu äußern, schon an diesem Donnerstag muss Lufthansa erklären, zu welchen Zugeständnissen sie bereit wäre, um doch noch eine Genehmigung zu erhalten.

Ein Kommissionssprecher sagte, das Verfahren laufe noch, Ergebnisse könne man nicht vorwegnehmen. Scheitert das Vorhaben, hätte dies womöglich gravierende Folgen für Niki und ihre Mitarbeiter: Der Fortbestand des Unternehmens wird derzeit durch Zuschüsse der Lufthansa von mehreren Millionen Euro pro Woche gesichert. Fallen diese weg, gehen Brancheninsider davon aus, dass auch Niki wie ihre Muttergesellschaft Air Berlin bald Insolvenz anmelden und den Flugbetrieb einstellen müsste. Damit würden noch einmal rund 1000 Arbeitsplätze wegfallen. Außerdem wäre zu befürchten, dass Passagiere an ihren Urlaubsorten stranden oder gar nicht erst dorthin befördert werden könnten. Auch die Übernahme der anderen Air-Berlin-Tochter LGW wäre dann, so hieß es, stark gefährdet.

Fällt Lufthansa aus, könnte Niki voraussichtlich nur dann gerettet werden, wenn schnell ein neuer Investor einspringt und sofort die weitere Finanzierung sicherstellt. An Niki waren im Laufe des Insolvenzverfahrens mehrere Bieter interessiert, auch die Ferienfluggesellschaft Condor gemeinsam mit Niki-Gründer Niki Lauda. Die beiden haben im Vergleich zur Lufthansa einen viel geringeren finanziellen Spielraum und dürften es sich kaum leisten können, Niki über Wochen in der Luft zu halten. Indes kündigte Lauda erneut an, er wolle Niki gemeinsam mit Condor-Mutter Thomas Cook übernehmen, sollte Brüssel den Verkauf an Lufthansa verbieten.

Air Berlin hatte am 15. August Insolvenz angemeldet und Ende Oktober den eigenen Flugbetrieb eingestellt. Lufthansa hatte den Zuschlag für die beiden nicht insolventen Töchter Niki and LGW bekommen. Mit dem Kauf soll auch die Rückzahlung des Überbrückungskredits der Bundesregierung in Höhe von 150 Millionen Euro finanziert werden. LGW fliegt bereits im Auftrag der Lufthansa-Tochter Eurowings.

Für die Lufthansa spielt es fast keine Rolle, ob die Kommission den Kauf von Niki verbietet. In Branchenkreisen heißt es, der Konzern habe sich sowieso schon etwa 70 der 81 ehemaligen Air-Berlin-Flugzeuge, die sie übernehmen wollte, gesichert, und zwar durch Leasing, Kauf oder Optionen. Darunter ist auch ungefähr die Hälfte der aktuellen Niki-Flotte (21 Airbus A321). Zugang zu Start- und Landezeiten (Slots) könnte sie über den Flughafenkoordinator bekommen. Fällt Niki aus, müssten die Maschinen direkt bei Lufthansa-Tochter Eurowings platziert werden. Das Wachstum des Billigablegers würde langsamer vonstattengehen, weil Piloten und Flugbegleiter geschult werden müssten. Andererseits würde sich Lufthansa die mehr als 200 Millionen Euro sparen, die als Kaufpreis für Niki und LGW vereinbart waren. Trotzdem reiste Lufthansa-Chef Carsten Spohr am Mittwoch für ein Treffen mit Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager nach Brüssel, um für eine Genehmigung zu werben.

"Last-Minute-Manöver" der Lufthansa?

Aus Sicht der EU-Kommission handelt es sich bei der Warnung vor einer Niki-Insolvenz um ein Last-Minute-Manöver "der anderen Seite". "Die machen Druck, es geht ja um viel Geld." Der Ball liege jetzt "in den Händen der Parteien", heißt es in Kommissionskreisen. Lufthansa habe Zeit bis Donnerstag um Mitternacht, um substantielle Zusagen zu machen. Ein formeller Vorschlag sei noch nicht eingetroffen. Geschehe dies, könnte die Kommission auch in dieser ersten Phase des Fusionskontrollverfahrens schon ihre Zustimmung signalisieren, die Frist würde dann um zehn Arbeitstage bis 21. Dezember verlängert.

Die EU-Kommission hat in ähnlichen Fällen, etwa bei der Fusion der Bierkonzerne Anheuser Busch und SAB Miller, in der ersten Phase nach entsprechenden Zusagen ihr Plazet gegeben. Bei der Übernahme von Air Berlin handele es sich um eine "komplexe Transaktion". Es gebe Überschneidungen auf mindestens 130 Strecken und deshalb "klare Bedenken". Man müsse sich das genau anschauen. "Wir blockieren nichts, aber wir können das unmöglich ohne Zusagen genehmigen." Äußert sich Lufthansa nicht fristgemäß, beginnt die EU-Wettbewerbsbehörde mit einer vertieften Prüfung, die 90 Werktage, also etwa fünf Monate, dauern würde. Dass Lufthansa Niki so lange finanzieren würde, gilt als ausgeschlossen.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2017
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