Süddeutsche Zeitung

VfL Wolfsburg:Der entspannte van Bommel

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Der Trainer sieht gegen Aufsteiger Bochum streckenweise gefälligen Fußball. Der 1:0-Sieg hätte deutlich höher ausfallen können - und doch bleiben Fragen zum Leistungsvermögen des VfL.

Von Thomas Hürner, Wolfsburg

Man tritt dem Trainer Mark Van Bommel wohl nicht zu nahe, wenn man ihm aufgrund der vielbesprochenen Wechselposse beim Pokalspiel in Münster unterstellt, gleich bei seinem Pflichtspieldebüt für den VfL Wolfsburg in der Vorwoche eine mittelschwere Bruchlandung hingelegt zu haben. Wohl dem also, der in dem kauzig-launigen Jörg Schmadtke einen Sportchef an seiner Seite weiß, der wohl auch hinter einem Angebot steckt, das der Werksklub seinen Anhängern vor dem Bundesligastart gegen den Aufsteiger VfL Bochum unterbreitet hatte: Wer fünf Tickets kaufte, der erhielt das sechste umsonst - "Samstag sind 6 keiner zu viel", hieß es dazu in einem Video, das die Wolfsburger zu diesem Anlass anfertigen ließen.

Aus Chronistenpflicht deshalb zunächst Folgendes: Van Bommel tauschte am Samstag gegen Bochum lediglich drei Spieler aus und hätte damit sogar noch zwei Wechsel freigehabt; in die Wolfsburger Arena kamen trotz der großzügigen Offerte nur die zugelassenen 9000 Zuschauer. Die Nachricht des Tages war natürlich eine andere: Der niederländische Coach und sein neuer Klub konnten die Partie mit 1:0 siegreich gestalten, was beim Vorjahres-Viertplatzierten und Champions-League-Teilnehmer gewiss einiges an Dampf vom Kessel nimmt. Andererseits scheint dieser Dampf gewissermaßen das Elixier des einstigen Mittelfeldraubeins van Bommel zu sein, wie er hinterher offenbarte. "Druck ist gut", sagte der Trainer, der sich sogar veranlasst sah, diese Beurteilung in einen Superlativ zu packen: "Druck ist das Schönste, was es gibt."

Die Wolfsburger spielten ohne die Zugänge Nmecha und Bornauw

Was die Wolfsburger Anhängerschaft außerdem sehr interessierte, das war die Frage, ob van Bommel im Vergleich zu seinem Vorgänger auf der VfL-Trainerbank signifikante Veränderungen in der Spielanlage vornehmen würde. Allerdings konnte das Duell gegen Bochum kaum Erkenntnisse darüber liefern, was vom Vermächtnis des nach Frankfurt abgewanderten Oliver Glasner noch übrig ist - ebenso wenig darüber, ob die erwogenen Modifizierungen van Bommels bereits Anlass zur Freude geben könnten. Auf dem Spielberichtsbogen standen im Grunde dieselben Namen wie in der Vorsaison, weil der Sturmzugang Lukas Nmecha verletzt passen musste und sich Innenverteidiger Sebastiaan Bornauw, der für angeblich 15 Millionen Euro aus Köln kam, erst einmal hinter dem etablierten Duo aus John Anthony Brooks und Maxence Lacroix einordnen muss.

In der Theorie möchte van Bommel den Wolfsburger Umschaltfußball um dominantes Ballbesitzspiel erweitern, doch vom Samstag können eigentlich nur die ersten drei Spielminuten als repräsentative Stichprobe herhalten. Da stürmten die Wolfsburger wie entfesselt drauf los, der Außenverteidiger Ridle Baku knallte den Ball nach wenigen Sekunden freistehend an die Latte, auch der Nachschuss von Offensivmann Maximilian Philipp war gefährlich. Die darauffolgende Ecke veränderte aber die grundlegende Arithmetik eines jeden Fußballspiels: Nach einem Kopfball von VfL-Angreifer Renato Steffen war Bochums Robert Tesche auf der Linie mit der Hand am Ball, was die Wolfsburger Führung verhinderte und mit der roten Karte geahndet wurde.

Stürmer Wout Weghorst verschießt einen Elfmeter

Der Aufsteiger spielte also fortan mit einem Mann weniger und die Heimelf einen "sehr guten Fußball", wie van Bommel sagte - und das, obwohl so eine frühe Überzahlsituation in der Praxis "viel schwieriger ist, als es aussieht". Nicht viel einfacher wurde es, als Top-Stürmer Wout Weghorst den fälligen Handelfmeter verschoss und der VfL in der Folge einen wirklich sagenhaften Chancenwucher betrieb. Van Bommel, der als aktiver Fußballer gelegentlich zu Eruptionen neigte, habe dennoch in der ersten Stunde des Spiels "ganz entspannt" auf seinem Sessel gesessen, wie er sagte. Das dürfte zum einen daran gelegen haben, dass Weghorst sein Malheur wieder gutmachte und in der 22. Minute mit einem überlegten Flachschuss zur 1:0-Führung für den VfL traf. Zum anderen schaute dieses "Elf gegen Zehn" tatsächlich sehr gefällig aus, weil die Wolfsburger Tempoverschärfungen und Tiefenpässe die am eigenen Strafraum verbarrikadierten Bochumer vor permanente Probleme stellten.

Thomas Reis, der Trainer des Aufsteigers, attestierte seinem Team in der Phase "Verhaltensweisen, die nicht optimal waren" - und meinte damit weniger das Benehmen seiner Spieler als die mangelhafte Umsetzung seiner Taktikvorgaben. Im Schlussdrittel der Partie büßten die Wolfsburger ihre routinierte Spielweise jedoch ein, was in der 77. Minute beinahe bestraft worden wäre, als auf einmal Bochums Milos Pantovic völlig freistehend auf Koen Casteels zurannte - doch der neue Wolfsburger Kapitän, "einer der besten Torhüter der Liga" (van Bommel), parierte glänzend.

Am Ende führte die Werkself gegen die dezimierten Gäste haushoch in allen relevanten Statistiken, nur auf der Anzeigetafel sah das Spiel knapper aus, als es eigentlich gewesen war. Bochums Coach Reis beglückwünschte van Bommel daher folgerichtig zu einem "verdienten Sieg" - und dann prognostizierte der Unterlegene seinem neuen Trainerkollegen eine "tolle Entwicklung", die dieser unter Garantie noch durchmachen werde.

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