Süddeutsche Zeitung

WM-Duell Löw vs. Klinsmann:Rendezvous in Recife

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Es begann mit einem Anruf auf dem Mountainbike: Zehn Jahre, nachdem der damalige Nationaltrainer Jürgen Klinsmann Joachim Löw zu seinem Assistenten gemacht hat, treffen sie sich 2014 bei der WM als Gegner wieder. Beide sind Freunde, doch arbeiten sehr unterschiedlich.

Von Christof Kneer

Joachim Löw saß auf dem Mountainbike, als der Anruf kam. Heute kann man sich natürlich fragen, wie die deutsche Fußballgeschichte weitergegangen wäre, wenn Löw sein Handy nicht dabeigehabt hätte. Wobei: Jürgen Klinsmann ist hartnäckig. Er hätte am Abend noch mal angerufen und noch mal, er hätte Löw schon irgendwann erreicht. Aber ob es noch rechtzeitig gewesen wäre? Es musste ja alles so verdammt schnell gehen damals.

Wenn etwas verdammt schnell gehen muss, ist keiner besser als Klinsmann. Besonders gut ist er, wenn das, was schnell gehen muss, auch noch ein Risiko ist oder am besten gleich eine kleine Revolution. Damals, im Sommer 2004, hat er Löw auf der Radtour durch den Schwarzwald erreicht, nach dem Telefonat ist Löw sofort nach Hause geradelt.

Daheim in Freiburg hat er sich ins Auto gesetzt und ist an den Comer See gefahren, abends hat er dort Jürgen Klinsmann getroffen, den alten Stürmer und Dränger. Am See haben sie beschlossen, dass Löw Assistent des Bundestrainers Klinsmann werden soll. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat das dann auch irgendwann erfahren.

Im Juni 2014, wenn Löw und Klinsmann bei der WM in Brasilien als Gegner in der Vorrunde aufeinandertreffen, wird die Geschichte zehn Jahre alt sein, und man wird sie mitdenken müssen, wenn sich die Trainer vor der Partie Deutschland - USA in Recife die Hände schütteln. Löw wäre ohne Klinsmann nicht hier, das wird man dann ohne Übertreibung sagen dürfen; ohne den Anruf auf dem Mountainbike wäre Löw heute vielleicht Trainer bei Jahn Regensburg. Aber auch Klinsmann hat Löw viel zu verdanken; erst dessen analytische Arbeitsweise hat ihn so richtig für den Trainerjob entflammt. Die beiden verstanden sich sofort, als sie sich im Jahr 2000 auf der Schulbank kennenlernten, beim Trainerlehrgang.

Die WM-Auslosung führt zwei Männer zusammen, deren Freundschaft zunächst schwer zu verstehen ist. Zu unterschiedlich ist das, was die Öffentlichkeit zu sehen bekommt: Hier der Schwabe Klinsmann, schon als Spieler ein Star und für seine Direktheit auf und neben dem Rasen berühmt; dort der Badener Löw, der ein verspielter Zweitligaprofi war und Leute, die ihm nicht ins Konzept passen, lieber still hinhält, als sie mit jener euphorischen Gnadenlosigkeit zu entfernen, die Klinsmann zu eigen ist.

Klinsmann, so sagt er selbst, kann einen ganzen Laden auseinandernehmen. Löw würde es sich in dem Laden erst mal gemütlich machen und einen Espresso bestellen. Auch als Trainer haben sie einen ungleichen Blick aufs Spiel: Klinsmann ist der Osteopath, er pflegt einen ganzheitlichen Ansatz, der bei Sprachkursen für Spieler beginnt und bei Buddha-Figuren, die er aufs Dach stellen lässt, nicht endet. Löw ist der präzise Chirurg, den interessiert, was auf dem Feld passiert; dort setzt er das Skalpell an. Bringt man diese Qualitäten zusammen, kann ein Turnier herauskommen, das man bis heute Sommermärchen nennt.

Nach der WM 2006 hat Klinsmann das aufgeregte Land erst mal im Unklaren gelassen, ob er weitermacht. Die Familien Klinsmann/Löw haben sich drei Tage in ein Hotel in Baiersbronn zurückgezogen und dort folgenden Plan gefasst: Klinsmann würde aufhören und Löw als Nachfolger vorschlagen.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2013
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