Süddeutsche Zeitung

WM 2010: Kloses Platzverweis:Ein Tritt zu viel

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Die gelb-rote Karte für Miroslav Klose zerstört das Konzept der deutschen Mannschaft. Der Angreifer kann zwar auf mildernde Umstände reklamieren, muss sich aber trotzdem Übereifer vorwerfen lassen.

Philipp Selldorf

Lukas Podolski verließ das Spielfeld mit einem serbischen Trikot um die Schultern, das er als Trostpreis heimführte. Mitgefühl und Zuwendungen waren dem Kölner Stürmer nach seinem vergebenen Elfmeter ohnehin sicher. Stefan Kießling eilte heran, um ihn väterlich in den Arm zu nehmen, dann kam Jerome Boateng, schließlich Torwarttrainer Andreas Köpke. Aber wer tröstete Miroslav Klose?

Klose musste nach der 37. Minute das Feld verlassen, er hatte für das dritte Foul, das er in diesem Spiel begangen hatte, die zweite gelbe Karte erhalten. Bei den Serben brach offener Jubel aus, als der spanische Schiedsrichter die leuchtend rote Papptafel in die Höhe hielt, der gefoulte Kapitän Dejan Stankovic wurde mit Glückwünschen wie ein Torschütze geehrt. Für Klose war es der erste Platzverweis in seiner Karriere als Nationalspieler, die am Freitag einen signifikanten Höchststand erreichte. Durch seinen 98. Länderspieleinsatz zog er mit Michael Ballack gleich.

Verhängnisvoller Elfmeter

Wie dem verletzten Kapitän könnte es nun auch Klose versagt bleiben, beim WM-Turnier sein rundes DFB-Jubiläum zu begehen. Seine Hinausstellung sah zunächst aus wie die Schlüsselszene der Partie: Wenige Momente später nutzten die Serben den Schock und die Verwirrung der Deutschen aus und erzielten das 1:0.

Aber es wäre eine Überzeichnung, diesen Rückstand und die Dezimierung der deutschen Mannschaft zur entscheidenden Voraussetzung der Niederlage zu erheben. Eher war, wie der Bundestrainer später feststellte, Podolskis vergebener Strafstoß und dessen Wirkung aufs Gemüt der Mannschaft maßgebend.

Löw hatte sich während des Spiels öfter temperamentvoll über Schiedsrichter Alberto Undiano aufgeregt. "Acht gelbe Karten und eine gelb-rote Karte in einem Spiel, das nicht ruppig oder unfair war, das war zu viel, das war unnötig", sagte er, inzwischen erheblich runtertemperiert.

Aber auf eine Beschwerde über den Platzverweis verzichtete er. "Man muss sagen, dass man in der Platzhälfte von Bosnien nicht so reingehen muss", stellte er fest, was - abgesehen davon, dass er Serbien mit Bosnien verwechselte - eine sachgerechte Schilderung der Hintergründe war. "Es war eine sehr, sehr harte gelbe Karte, aber man hätte sie vermeiden können", meinte Löw. Auch mildernde Umstände ("er wollte den Ball wegspitzeln", so Löw) konnten Klose nicht vom Vorwurf des folgenschweren Übereifers befreien.

Strenge Fifa-Aufseher

Allein deshalb, weil er in jener verhängnisvollen 37. Minute längst hätte wissen müssen, dass es der strenge Fifa-Aufseher sehr genau nahm. Dem serbischen Trainer Radomir Antic war das sogar vorher schon klar. "Wir müssen wissen, dass die Schiedsrichter das Spiel regieren", erklärte er und berief sich dabei auf eine lückenlose Beweislage: "Ich habe alle WM-Spiele gesehen. Es gibt Kriterien, die neu sind im Fußball, und auf die wir uns als Trainer einstellen müssen. Ich habe meinen Spielern gesagt, dass sie das auch tun müssen." Über dieses Thema, eine womöglich allzu penible Regelinterpretation durch die Referees, wird die Fußballwelt in den kommenden Tagen noch öfter debattieren.

Miroslav Klose hat die Diskussion in Südafrika bereits aufgenommen, im Sinne der Traditionalisten. "Ich meine, das ist immer noch Fußball, das ist ein Kampfsport. Da gibt es Zweikämpfe, und da muss man unterscheiden, ob ein Foul böse war oder aus Absicht geschieht", suchte er Rechtfertigung. "Todtraurig" sei er, fügte er glaubhaft hinzu. Auf sein 100. Länderspiel muss er nun bis zum Viertelfinale warten. Oder bis EM-Qualifikationsspiel in Belgien im September.

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SZ vom 19.06.2010
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