Süddeutsche Zeitung

Weidenfeller in der Nationalmannschaft:Löw kann verzeihen

Lesezeit: 3 min

Mit 33 Jahren zum ersten Mal Nationalmannschaft: Joachim Löw beruft Roman Weidenfeller - anhand der Personalie lässt sich einiges über Löws Welt lernen. Der Bundestrainer widerlegt das beliebte Vorurteil, wonach es Spieler gibt, die es ihm einfach nicht recht machen können.

Von Christof Kneer

Am Freitag kam die Meldung, dass Bayer Leverkusen den Vertrag mit dem Torwart Bernd Leno verlängert hat. Im Sinne der Planungssicherheit ist dieser Schritt unbedingt zu begrüßen, denn während der junge Torwart bisher nur über einen eher kurzfristigen Vertrag verfügte (bis 2017), so verfügt er nun über einen eher langfristigen (bis 2018).

Im Sinne der Planungssicherheit kann Leno auch davon ausgehen, dass er künftig mehr Geld verdient, und er darf sich etwas darauf einbilden, dass sein Arbeitgeber ihm das neue Gehalt vergnügt bewilligt hat. In Leverkusen wissen sie ja: Jene Summe, die sie für ihren Torwart mehr aufwenden müssen, die holt ihr Torwart schnell wieder herein - wenn er so hält wie am Dienstag in der Champions League, als sich Schachtjor Donezk und Bernd Leno 0:0 trennten.

Leno, 21, ist mehr als ein herausragendes Torhütertalent, er ist schon ein herausragender Torhüter. Dasselbe gilt für den Gladbacher Marc-André ter Stegen, 21, der sich mit Leno um einen Platz im Nationaltor duelliert - in der U21. Im Kader der A-Nationalelf steht dagegen einer, der ein herausragendes Talent war, als Leno und ter Stegen noch in die Grundschule gingen. Roman Weidenfeller ist heute 33 und auch ein herausragender Torwart. Der Bundestrainer würde ergänzen: inzwischen.

Mit der Berufung des Torwarts vom BVB hat Joachim Löw ein beliebtes Vorurteil widerlegt. Von Vorgänger Jürgen Klinsmann, der Spieler wie Kahn oder Wörns fundamental missachtete, hatte Löw ja dieses Image geerbt: dass es Spieler gebe, die es ihm einfach nicht recht machen können. Sein Wörns hieß mal Kuranyi, mal Ballack oder Frings, zuletzt hieß er Kießling oder Weidenfeller. Bevor der Löw den Weidenfeller holt, stellt er den Torwarttrainer Köpke ins Tor - so flüsterten es die Stimmen in der Branche, und besonders laut flüsterten es jene, die aus Dortmund kamen.

Es ist nicht die Macht dieser Stimmen, die Löw und seinen Torwartminister Köpke nun bewogen haben, den Dortmunder in ihre DFB-Reisegruppe aufzunehmen. Löw nimmt sich sein Recht auf Autonomie, er urteilt nach Regeln, die nur in seiner eigenen Welt gelten, und so lässt sich anhand der Personalie Weidenfeller einiges über Löws Welt lernen.

Erstens: Löw kann verzeihen - er hat Weidenfeller einige spitze Bemerkungen der Vergangenheit ("Vielleicht sollte ich mir einfach die Haare schneiden. Oder etwas zierlicher werden") nicht nachgetragen. Zweitens: Er nominiert durchaus Spieler aus Dortmund. Drittens: Sein entscheidendes Nominierungskriterium ist und bleibt die Champions League - dort hat ihn Weidenfeller, anders als Kießling, am Ende überzeugt.

"Seine Erfahrung auf internationalem Topniveau hat eine große Rolle gespielt", sagte Andreas Köpke am Freitag und vergaß nicht darauf hinzuweisen, dass Weidenfeller "sein Torwartspiel verändert" habe. Er hat sich im modernen Klopp-Fußball einen moderneren Stil angeeignet, er ist kein reiner Reaktionstorwart mehr, er hat Kraftmeierei durch vorausschauendes Spiel ersetzt. Sie hätten Weidenfeller natürlich auch ein bisschen früher holen können, "aber das Problem ist", sagt Köpke, "dass wir ja eigentlich gar keinen Torwart suchen. Wir haben mit Manuel Neuer eine klare Nummer eins, da können wir gar nicht allen anderen gerecht werden."

Einen modernen Weidenfeller können sie beim DFB aber gerade gut gebrauchen, denn sie wollen "auf alle Eventualitäten vorbereitet sein", wie Köpke sagt. Die Planstelle des erfahrenen Reserve-Torwarts ist durch René Adler zwar seriös besetzt, aber natürlich wissen sie beim DFB, dass Adler einen empfindsamen Körper mit sich führt, der ihn schon vor der WM 2010 zur Aufgabe zwang.

Und es bleiben Restzweifel, ob die jungen ter Stegen, Leno oder Ron-Robert Zieler schon druckresistent genug sind, um einzuspringen, falls Neuer im WM-Viertelfinale plötzlich vom Feld humpelt. Zieler und ter Stegen haben einige unglückliche A-Länderspiele hinter sich, Leno ein ungünstig verlaufenes U21-Turnier.

Noch hat Löw nicht entschieden, ob Weidenfeller auch wirklich debütieren darf, aber ein Einsatz im zweiten Spiel gegen England darf als wahrscheinlich gelten. "Aber vor allem wollen wir Roman mal richtig kennenlernen und sehen, was für ein Typ er ist", sagt Köpke, "damit wir vor der WM dann eine objektive Entscheidung treffen können."

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Quelle:
SZ vom 09.11.2013
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