Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Die Affenbande will hoch

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Die FT Freiburg 1844 ist einer der Zweitligisten, der den Sprung in den Profivolleyball wagen möchte - was bislang als Himmelfahrtskommando galt. Der Klub will auf diesem Weg anders sein: grün, nachhaltig und ein bisschen verrückt.

Von Sebastian Winter

Am späten Montagnachmittag hatte die Freiburger Turnerschaft von 1844 in ihrer neuen Halle in den Walter-Hasper-Raum geladen, benannt nach dem vier Jahrzehnte lang regierenden Vereinsdirektor. Schwarzwaldstraße 181, einen Steinwurf nach Westen die Sportuniversität, einen Steinwurf nach Osten das Dreisam-Stadion, die alte Arena des SC Freiburg. Hier also, wo in der Stadt der Bächle und des Weins, der Finkes, Löws und Streichs das sportliche Herz schlägt, verkündete die FT 1844 ihr bislang ehrgeizigstes Projekt: Der Verein, seit 20 Jahren Zweitligist, will erstmals den Sprung in den Profivolleyball wagen. Zur Saison 2023/24 soll es soweit sein, "wir haben in den vergangenen Jahren hier ein feines Segelschiff gebaut", sagt der Sportliche Leiter Florian Schneider, der Kopf hinter dem Projekt. Aus nachhaltigen Rohstoffen natürlich, ohne sie geht es im Musterstädtle nicht.

Die Chance hat ihnen die Volleyball-Bundesliga (VBL) gegeben, indem sie die Lizenzvoraussetzungen für den Erstligaaufstieg kürzlich massiv reduzierte - auch um ihrem nur noch neun Klubs umfassenden Oberhaus neues Leben einzuhauchen. Seit 2019 hatten sich dort fünf Klubs zurückgezogen, der sportliche Abstieg ist auch in der aktuellen Saison ausgesetzt: Wer soll auch absteigen in einer Liga, in der der VC Olympia Berlin als Junioren-Nationalteam ein Sonderspielrecht hat und die restlichen acht Mannschaften schon beim Saisonstart wissen, dass sie im Playoff-Viertelfinale stehen? Aufsteigen wollte seit Jahren ohnehin niemand mehr wegen der finanziellen Risiken. Der Sprung in die erste Liga galt lange als Himmelfahrtskommando.

Künftig braucht es nun aber nicht mehr gleich die LED-Banden, die hauptamtlichen Mitarbeiter, die 2500-Zuschauer-Arena, den 200 000-Euro-Etat. Es ist eine Chance, die nicht nur die FT Freiburg nun am Schopfe packt. Dem Vernehmen nach sind auch drei Klubs aus dem Norden und einer aus dem Münchner Umland interessiert. Und die Baden Volleys SSC Karlsruhe, aktuell Tabellenführer der zweiten Liga Süd (Freiburg ist Dritter). Karlsruhe war im vergangenen Jahr schon Zweitligameister, "mit einer Mannschaft, die null Cent gekostet hat", wie Abteilungsleiter Diego Ronconi sagt. Damals verzichtete der Klub aber auf den Aufstieg: zu riskant, zu teuer, die Schere zu groß, die Strukturen zu schwach. Inzwischen glauben sie, es schaffen zu können, eine erstligataugliche Halle ist in Planung, junge Spieler werden mit dem Angebot einer dualen Karriere nach Karlsruhe gelotst. Allerdings muss noch der Hauptverein an diesem Donnerstag dem Finanzkonzept zustimmen.

"Unsere Philosophie ist schon an den SC Freiburg angelehnt."

Rund 130 Kilometer südlich machen sie es etwas anders - und sind schon weiter abseits des Sportlichen: "Wir wollen uns im Crescendo an die erste Liga heranentwickeln", sagt Schneider, der Sportliche Leiter. Und mit einem Freiburger Weg, den der SC längst begangen und geebnet hat. Jenes Schulschiff, das gerade erfolgreich nicht nur durch die Fußball-Bundesliga, sondern durch halb Europa segelt. "Unsere Philosophie ist schon an den SC angelehnt", sagt Schneider, grün, nachhaltig, unangepasst, ein bisschen verrückt. Sie sehen sich als Ausbildungsverein, setzen stark auf Jugendarbeit, acht Spieler aus dem eigenen Nachwuchs stehen gerade im Zweitligakader. Ihre alte Halle haben sie einst "Burda-Dschungel" getauft, sie selbst waren die "Affenbande", die dort wütete. Stichwort Aufmerksamkeit, die FT Freiburg hat damals einiges aus ihrer düsteren Heimspielstätte gemacht.

Schon 2009 haben sie einen Grundsatzbeschluss getroffen, "und im Grunde geht damit die ganze Geschichte los", sagt Schneider. Mit dem Großteil ihres Budgets haben sie einen hauptamtlichen Nachwuchstrainer eingestellt und damit Lehren aus mancher Saison gezogen, für die sie vergleichsweise teure Spieler verpflichteten und sich einmal für die Erstliga-Playoffs qualifizierten, die sie dann doch nicht bewältigten. 2019 stiegen sie dann sportlich ab aus der zweiten Liga, blieben aber dank einer Wildcard-Option, die die Bundesliga damals ins Leben gerufen hatte, doch drin. Man muss auch mal Glück haben auf dem Weg in neue Gewässer. Die neue Halle war da längst in Planung, inzwischen steht sie: Erstligatauglich, 1200 Plätze, im letzten Spiel der vergangenen Saison war sie ausverkauft.

Mit der Wildcard waren Bedingungen verbunden, die Freiburger mussten sich da schon aufmachen Richtung erste Liga, sie haben einen Dreijahresplan geschrieben, einen Marketingmenschen eingestellt, aus Kleinem soll nun Großes erwachsen.

Spätestens im Frühjahr wissen sie, in Karlsruhe, aber auch in Freiburg, nahe der B31, die am Hirschsprung vorbei durchs Höllental in den Schwarzwald führt, ob sie genug Geld haben fürs Oberhaus. "Wenn wir es machen, dann nur mit den Freiburger Jungs", sagt Projektleiter Schneider, mit der eigenen Jugend also. Nils Petersen und Nicolas Höfler, die SC-Profis und FT-Fans, werden sich das Profidebüt der Affenbande nicht entgehen lassen.

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