Süddeutsche Zeitung

VfL Bochum:Kommt das Bierverbot auf der Tribüne?

Lesezeit: 2 min

Nach dem Spielabbruch erwägt der VfL Bochum eine naheliegende Maßnahme: Wenn auf den Rängen kein Alkohol mehr getrunken wird, kann auch niemand einen Bierbecher auf den Linienrichter werfen.

Von Ulrich Hartmann

Herbert Grönemeyer hat in seinem Repertoire Lieder für viele Lebenslagen, sogar für solche beim Fußballklub VfL Bochum. Bis jetzt spielen sie im Ruhrstadion vor jedem Bundesliga-Spiel die Heimathymne "Bochum", aber wenn am übernächsten Sonntag das nächste Heimspiel gegen Leverkusen ansteht, dann könnten sie ausnahmsweise auch Grönemeyers Song "Alkohol" über die Lautsprecher schicken. Denn, ja, der VfL Bochum hat womöglich ein Alkoholproblem.

Es geht dabei um Fans, die tüchtig trinken und mit dadurch verminderter Emotionstoleranz ihre noch halbvollen Bierbecher auf den Rasen schleudern, weil ihnen irgendwas nicht passt. Nachdem das jüngste Spiel gegen Mönchengladbach in der 69. Minute abgebrochen wurde, weil der Linienrichter Christian Gittelmann einen gut gefüllten Becher an den Kopf bekam, denken sie beim VfL über ein selbst auferlegtes Alkohol- und Speisenverbot auf der Tribüne nach.

"Was ist los, was ist passiert? Ich hab' bloß meine Nerven massiert", singt Grönemeyer im Song. Beim Fußball kann Bier entweder Beruhigungs- oder Aufputschmittel sein. Problem: Vertreter der zweiten Kategorie können viel Schaden anrichten. Ausgerechnet vor dem Gladbach-Spiel hatte der Klub zur Prävention noch ein Video hochgeladen, in dem der Kapitän Anthony Losilla die Fans ermunterte, das werthaltige Bier vom örtlichen Klubsponsor doch bitte brav auszutrinken statt es auf den Rasen zu schleudern. Mit fliegenden Bechern als Gefahr für Spieler, Trainer und Schiedsrichter haben sie im Ruhrstadion nämlich schon länger ein Problem. Am Freitagabend ist die Lage kulminiert.

"Mich macht wütend, dass all unsere Appelle im Stadion und das Video mit Kapitän Anthony Losilla nicht gefruchtet haben", schimpfte der Vorstandssprecher Ilja Kaenzig in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und vermisste auch eine "Selbstreinigung unter den Fans". Jetzt müsse man andere Maßnahmen heranziehen. Möglicherweise sogar ein explizites Bierverbot auf der Tribüne, wie man es in den englischen Profiligen zur Bekämpfung des Hooliganismus schon seit 1985 aufrecht erhält.

Für wie viele Bochumer Spiele so ein Alkohol-Bann gelten könnte und ob er mit geltenden Verträgen mit Caterern und Partnern vereinbar wäre, wird derzeit geprüft. Überhaupt wird an der Castroper Straße in dieser Woche inflationär konferiert, weil der Eklat facettenreiche Auswirkungen hat. Das Problem mit den teils gefährlich extrovertierten Fans ist ein internes. Parallel dazu laufen Gespräche mit dem Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bunds zur Schuldfrage - und zur Spielwertung. Und in Zusammenarbeit mit der Polizei wird auch noch nach dem Übeltäter gesucht.

Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Montag einen Tatverdächtigen verhört, einen 38 Jahre alten Bochumer, der sich zunächst allerdings nicht zur Sache eingelassen wollte. Bei Überführung oder Geständnis drohen dem Täter nicht nur Stadionverbot, Vereinsausschluss oder Dauerkarten-Entzug, sondern sogar Schadenersatz-Ansprüche für Einnahme-Ausfälle bei einem möglichen Geisterspiel, das der DFB als Strafe verhängen könnte. Das könnte teuer werden, allerdings hat der VfL bereits eingeräumt, dass man niemanden ruinieren wolle. "Man muss auch bedenken, dass man jemanden damit nicht komplett zerstört", sagt Kaenzig. Selbst in solch schwierigen Momenten denken sie im Ruhrgebiet an einen gewissen Zusammenhalt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5551985
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.