Süddeutsche Zeitung

Ferrari ohne Vettel:Auf Wiedersehen, Formel Deutschland

Lesezeit: 2 min

Hört Sebastian Vettel nach der Trennung von Ferrari auf? Sein Abschied aus der Formel 1 wäre ein weiterer heftiger Rückschlag für den deutschen Motorsport.

Kommentar von Anna Dreher

Als Sebastian Vettel in den Nachthimmel von Singapur blickte, war ihm die Erleichterung deutlich anzumerken. Nach 392 Tagen gewann er auf dem Marina Bay Street Circuit am 22. September 2019 wieder mal ein Formel-1-Rennen. Vettel lächelte auf dem Podium, atmete tief durch - und hätte er damals schon gewusst, welche Bedeutung diesem Erfolg noch beigemessen werden könnte, er hätte vor Rührung wohl Tränen in den Augen gehabt. Vettels Sieg damals blieb sein einziger in der für ihn so schwierigen Saison. Es könnte auch sein letzter als Pilot der Scuderia Ferrari und vielleicht sogar sein letzter in der Königsklasse des Motorsports gewesen sein. Denn seit Dienstag steht fest: Nach sechs Jahren endet die vermeintliche Traumkombination Vettel und Ferrari.

Der 32-Jährige will nun in Ruhe nachdenken, wie es für ihn weitergeht. Zwischen 2010 und 2013 ist er mit Red Bull viermal Weltmeister geworden. Mehr Titel haben in der am Mittwoch ihren 70. Geburtstag feiernden Formel 1 nur Juan Manuel Fangio (5), Lewis Hamilton (6) und Michael Schumacher (7) gewonnen. Vettel könnte sich also als einer der Erfolgreichsten seines Fachs zurückziehen. Für den nationalen Rennsport aber wäre das ein weiterer heftiger Rückschlag in kurzer Zeit. Nachdem der hierzulande populären Tourenwagenserie DTM durch den Ausstieg von Audi das Aus droht, könnte ein Abschied Vettels das Ende eines noch glänzenderen Kapitels deutscher Motorsportgeschichte bedeuten.

Nächstes Jahr könnte zum ersten Mal seit 1990 kein Deutscher ein Stammcockpit in der Formel 1 besetzen. Kein Vergleich zu 2010, als in Schumacher, Vettel, Nico Rosberg, Nick Heidfeld, Adrian Sutil, Nico Hülkenberg und Timo Glock gleich sieben Deutsche in der Startaufstellung standen und fast ein Drittel des Feldes ausmachten. Die Formel 1 wurde zur Formel D. Seit Schumachers erstem WM-Triumph 1994 holte insgesamt zwölf Mal ein Deutscher den Titel. Die Topklasse hatte hier vor allem während Schumachers außergewöhnlicher Karriere einen extrem hohen Stellenwert mit bisweilen zwei Rennen auf dem Nürburg- und Hockenheimring sowie zwei Teams in BMW und Mercedes. Und nun?

Die Hoffnung, dass ein deutsches Talent wieder in die Formel 1 aufsteigt, ruht vor allem auf einem Schumacher. Michaels Sohn Mick zieht in der Formel 2 schon große Aufmerksamkeit auf sich, wovon auch die Formel 1 profitieren will. Wenn einer wieder einen Boom in Deutschland auslösen könnte, dann wohl er. Dass Schumacher von Ferrari in der Nachwuchsakademie gefördert wird, steigert seine Chancen auf den Sprung nach ganz oben. Ausbremsen könnte diesen Aufstieg aktuell jedoch die Coronavirus-Krise mit ihren auch für die Formel 1 schweren Auswirkungen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4905169
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.05.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.