Süddeutsche Zeitung

US Open:Von Platz 1869 in Runde zwei

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Yibing Wu ist er der erste chinesische Tennisprofi, der eine Partie bei einem Grand-Slam-Turnier gewinnt. Er steht stellvertretend für das riesige Potenzial, das China im Tennis hat.

Von Jürgen Schmieder, New York

34 421 Dollar. Das ist die Höhe des Preisgelds, das der chinesische Tennisprofi Yibing Wu 2022 bislang erspielt hat. Das ist deshalb interessant, weil für ihn bei diesen US Open innerhalb weniger Tage 121 000 Dollar hinzugekommen sind. Wu hatte sich über drei Siege in der Qualifikation ins Hauptfeld gespielt, und da besiegte er am Montag den an Platz 31 gesetzten Georgier Nikolos Bassilaschwili 6:3, 6:4, 6:0 - nein, er schoss seinen Gegner mit neun Assen und 31 Gewinnschlägen regelrecht vom Platz.

Wu, 22, ist der erste chinesische Tennisprofi in der nun 52 Jahre dauernden Open Era dieses Sports, der eine Partie bei einem Grand-Slam-Turnier gewonnen hat. Fu Chi Mei hatte 1959, im Zeitalter der Amateure, in Wimbledon 3:6, 9:11, 11:9, 6:1, 6:1 gegen Ronnie Barnes (Brasilien) gesiegt; bei den US Open muss man bis ins Jahr 1935 zurückgehen; damals rang Guy Cheng den Amerikaner Samuel Gilpin 0:6, 6:2, 6:3, 4:6, 6:2 nieder. Fast hätte es am Montag noch einen zweiten chinesischen Spieler in der zweiten Runde gegeben, Zhizhen Zhang vergab jedoch gegen den Niederländer Tim van Rijthoven vier Matchbälle und verlor 6:3, 7:6 (4), 6:7 (9), 1:6, 4:6.

Diese Entwicklung ist kein Zufall, der amerikanische Haudrauf-Aufschläger und Klartext-Redner Reilly Opelka sagte bereits im Frühling, dass die goldenen Zeiten fürs westliche Tennis mit reihenweise Grand-Slam-Siegern vorbei seien und erst mal nicht wiederkehren würden. Die Suche nach künftigen Siegern müsse in Osteuropa und Asien stattfinden. Laut Liverpool Management School gibt es in China mittlerweile 14 Millionen aktive Tennisspieler, zum Vergleich: In Deutschland sind es fünf Millionen. Geld ist auch, noch so ein Unterschied zum notorisch klammen deutschen Verband, reichlich vorhanden, der Markt wird auf vier Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt.

Chinas Tennisspielerinnen können schon einige Erfolge vorweisen

Bei den Frauen gibt es längst chinesische Grand-Slam-Siegerinnen, Li Na im Einzel (French Open 2011, Australian Open 2014) sowie Jie Zheng, Shuai Zhang, Zi Yan und Peng Shuai, deren Verschwinden und Wieder-Auftauchen bei Olympia in Peking vor ein paar Monaten laut Frauen-Weltverband WTA immer noch nicht geklärt ist, im Doppel. Bei diesen US Open gilt French-Open-Achtelfinalistin Qinwen Zheng als Außenseiterinnen-Tipp, die 19-Jährige besiegte zuletzt in Toronto Ons Jabeur (Tunesien) und Bianca Andreescu (Kanada).

Wu ist kein Unbekannter, er gewann 2017 die Junioren-Konkurrenz der US Open. Von 2019 bis Januar 2022 musste er allerdings wegen Verletzungen komplett pausieren, seitdem spielte er sich von Platz 1869 der Weltrangliste auf 173 vor; der Sieg gegen Bassilaschwili war der 14. nacheinander. Er war mit Landsmann Zhang der erste chinesische Hauptfeld-Grand-Slam-Teilnehmer der Open-Era-Geschichte, nun ist er also auch der erste, der eine Partie gewonnen hat.

Mehr noch: Durch den Sieg übernimmt er quasi den Setzlistenplatz des Gegners, er trifft in der zweiten Runde auf den Qualifikanten Nuno Borges aus Portugal. Preisgeld für den Sieger und damit Teilnehmer an der dritten Runde: 188 000 Dollar.

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