Süddeutsche Zeitung

Serena Williams bei den US Open:400 Diamanten

Lesezeit: 3 min

Alles bei den US Open ist auf die Serena-Show ausgelegt, gleich am ersten Abend gibt es ein emotionales Feuerwerk. Was die Veranstalter verdrängen: Auch andere Champions wie Dominic Thiem, Stan Wawrinka und Andy Murray waren da.

Von Jürgen Schmieder, New York

Es sind exakt 189 Schritte von der Umkleidekabine im Arthur Ashe Stadium zu Court 5, und zugleich liegt ein Universum zwischen der größten Tennisarena der Welt und dem mit Abstand schäbigsten Platz auf der Anlage in Queens. Er ist eingepfercht zwischen den Plätzen vier und sechs, weshalb man andauernd mit Jubel, Flüchen und Spielständen beschallt wird - was sich vervielfacht, wenn auf den fünf Trainingsplätzen dahinter Leute trainieren, die das Volk unbedingt sehen will. Am Montagnachmittag: Nick Kyrgios und Serena Williams.

Die Aufregung hätte ja kaum größer sein können um diesen ersten Auftritt von Williams bei den US Open, die das letzte Turnier sein sollen in ihrer einzigartigen Karriere. Sie trug einen Rock, den sie selbst entworfen hatte; Schwarz und viel Stoff übereinander für die zahlreichen Titel, die sie hier gewonnen hat. Das Oberteil sollte an das Outfit einer Eiskunstläuferin und den Nachthimmel über dem Big Apple erinnern. Dazu Schuhe mit Gold-Deubré und der Aufschrift "Queen", in die per Hand 400 Diamanten eingearbeitet waren.

Es war eine gigantische Show. Die Ouvertüre lieferte ein ukrainischer Frauenchor, die Zugabe danach der australische Tennis-Punk Kyrgios mit einem 6:3, 6:4, 7:6 (4) gegen Landsmann Thanasi Kokkinakis - obwohl die Arena da fast leer war; davor hatten die Veranstalter einen neuen Night-Session-Rekord (29.402 Zuschauer auf der Anlage) vermeldet. Es kamen Promis aus allen Sparten der Entertainment-Branche: Vogue-Chefin Anna Wintour, Schauspieler Hugh Jackman, Box-Legende Mike Tyson, Sängerin Queen Latifah. Beim Münzwurf war Regisseur Spike Lee am Netz dabei, der frühere US-Präsident Bill Clinton wurde während eines Seitenwechsels von Sex-Psychologin Ruth Westheimer sanft an der Wange getätschelt.

Serena Williams darf man ruhig symbolisch interpretieren in New York

Gegnerin Danka Kovinic aus Montenegro gab die brave Nebendarstellerin, Williams gewann 6:3, 6:3 und wird also mindestens noch eine Abschieds-Show erleben - wie es sich für eine Königin gehört, obwohl man angesichts all des Trubels fragen muss, was denn da beim nächsten Spiel am Mittwochabend gegen die Estin Anett Kontaveit noch kommen soll, um das zu übertreffen.

"Der Rock hatte sechs Lagen", sagte Williams nach all dem, und was sie danach sagte, darf man durchaus symbolisch interpretieren dafür, dass das doch alles ein bisschen viel wird: "Ich habe vier weggenommen, weil er sonst zu schwer gewesen wäre."

Das führt zurück zu Court 5 , 189 Schritte entfernt. Dort spielte einer, der in dieser großen Arena auch schon sehr erfolgreich gewesen ist: Stan Wawrinka, US-Open-Sieger 2016. Sein Spitzname ist nicht "King" oder wenigstens "Prince", sondern einfach nur The Man.

Natürlich gebührt Williams die größtmögliche Bühne, darüber darf es gar keinen Zweifel geben, aber ist es nötig gewesen, den dreimaligen Grand-Slam-Sieger auf diesen Platz zu schicken? Wawrinka, 37, befindet sich im Spätherbst der Karriere, er weiß das auch: "Ich sehe natürlich, dass es aufs Ende zugeht. Ich war mehr als ein Jahr lang verletzt, jetzt geht es mir wieder besser - körperlich und auch in puncto Tennis. Ich liebe noch immer, was ich tue, und deshalb würde ich gerne noch ein bisschen weiterspielen."

Er hatte Spaß gegen Corentin Moutet, auch wenn er zwei Sätze verlor (4:6, 6:7) und dann aufgeben musste, weil der Oberschenkel zwickte. Die Tribüne war voll, die Leute befüllten sogar die Sitze der Plätze nebenan, um diese zauberhafte Rückhand live zu erleben. Klar, er ist nicht mehr ganz so fit wie einst, er kam noch nie so federer-leicht daher wie sein noch erfolgreicherer Landsmann: "Ich weiß, dass ich nie wieder so gut sein werde wie früher; man kann nicht dauernd rumreisen und verlieren. Ich spüre aber, dass ich noch ein paar große Resultate in mir habe."

Wawrinka war nicht der einzige frühere Sieger, den die Ausrichter auf einen Nebenplatz geschickt hatten. Dominic Thiem, der vor zwei Jahren in New York gewonnen hatte, spielte in der Ecke der Anlage auf Platz 17, der eine gefühlte Marathondistanz vom Arthur Ashe Stadium entfernt ist - gegen Pablo Carreno Busta, der gerade das Masters-Turnier in Cincinnati gewonnen hat. Auch das eigentlich ein Spiel für einen größeren Court, nach der packenden und hochklassigen Partie war Thiem trotz Niederlage zufrieden - er arbeitet ja nach der Verletzung am Schlaghandgelenk am Comeback: "Wer mich gegen Pablo als Favorit sah, ist weit vom wahren Leben entfernt. Ich nehme aber ein paar gute Dinge mit."

Und dann gab es gleich noch einen früheren US-Open-Sieger, der am Montag antreten musste. Immerhin im Louis Armstrong Stadium, der zweitgrößten Arena: 2012-Champ Andy Murray gewann zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder eine Grand-Slam-Partie glatt in drei Sätzen: 7:5, 6:3, 6:3 gegen den Argentinier Francisco Cerundolo. Er plauderte danach darüber, dass Coaching auf dem Platz nun erlaubt ist ("Mein Trainer Ivan Lendl ist kein Mann vieler Worte - bisschen Taktik, mehr nicht"), übers Älterwerden ("Training anpassen, Schläge der Gegner früher erkennen") und den nächsten Gegner Emilio Nava (USA): "Wir haben vor ein paar Tagen trainiert. Es ist immer gut, die Bälle schon mal gespürt zu haben."

Es soll alles eine große Show sein bei diesen US Open, und wenn einer in seiner Karriere bewiesen hat, dass er große Dramen liefern kann, dann Murray. Man sollte ihn in seinem Alter nicht mehr zu weit über die Anlage hetzen. Schritte von der Umkleide zum Platz im Arthur Ashe Stadium: 46.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5647556
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.