Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 im DFB-Pokal:Jetzt helfen nur noch Psychotricks

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Von Philipp Schneider

Am Sonntagabend saß ein rätselhafter Gast in einem Fernsehstudio des Bayerischen Rundfunks. Der Gast war schon recht lange nicht mehr in einem Fernsehstudio, in seiner besten Zeit aber war er mal ein durchaus erfolgreicher Fußballmanager. Am liebsten erledigte der Gast dabei alles alleine, was so an Aufgaben anfiel in den Fußballklubs. In seinen Jahren beim VfL Wolfsburg etwa war er mal zeitgleich Geschäftsführer, Trainer, Sportdirektor und Herausgeber des Stadionmagazins. Weswegen deutschlandweit Geschäftsführer, Trainer, Sportdirektoren und Herausgeber von Stadionmagazinen immer dann befürchten müssen, den Einfluss an ihren Arbeitsstätten zu verlieren, wenn dieser Gast sich vorstellen kann, mal wieder eine neue Anstellung anzutreten.

Das Pokalspiel findet für 1860 zur Unzeit statt

Am Sonntagabend schnürte sich der seltene Gast eine blaue Krawatte um den Hals, setzte sich auf eine Couch bei Blickpunkt Sport und sagte: "Ich bin bereit für eine interessante Aufgabe, welche auch immer. Aber ich bin nicht bereit, eine Aufgabe zu übernehmen, ohne dass ich wirklich auch die Entscheidungen treffen kann, die ich will, um vorwärts zu kommen - und das ist auch ein Problem bei Sechzig München." Dann lächelte Felix Magath. Wohlwissend, dass beim TSV 1860 München gerade nur der Sekundenzeiger im Löwenstüberl vorwärts kommt - und er den Zuschauern gerade so genug Bröckchen und blaue Krawatten hingeworfen hatte, um seinen Namen mal wieder in Erinnerung zu bringen bei den darbenden Anhängern des Fußball-Zweitligisten .

Auch der Zeitpunkt von Magaths Auftritt war raffiniert. Nachdem sein Engagement im Sommer noch am Einspruch von Investor Hasan Ismaik und dessen Cousin - Pharmazeut und Geschäftsführer Noor Basha - gescheitert war, ist die sportliche Lage inzwischen so trübselig, dass klar ist, dass es mit Magath nicht schlimmer um den Klub bestellt sein könnte: Seit zwölf Spieltagen wartet die Mannschaft auf ihren ersten Sieg in der Liga. An diesem Dienstag (19 Uhr) muss sie im DFB-Pokal beim Bundesligisten FSV Mainz 05 antreten. Und der neue Trainer Benno Möhlmann muss nach seiner Gallen-Operation noch bis mindestens Donnerstag im Krankenhaus bleiben.

Am Montag war es also wieder Sechzigs Torwarttrainer Kurt Kowarz, der für Möhlmann einspringen musste. Und Kowarz sagte: "Für uns ist der Pokal eine Riesenchance. Die Spieler müssen den Pokal als Geschenk sehen. Sie können einfach Fußball spielen und die Tabelle mal vergessen." Klang alles ganz herrlich.

Tatsächlich wird dieses Pokalspiel für Sechzig doch eher zur Unzeit ausgetragen. Am Sonntag reist im Ligabetrieb die einzige noch weniger erfolgreiche Mannschaft nach München: der MSV Duisburg. Sollte diese Partie auch noch verloren werden, wird es wohl endgültig düster. Trotz der kritischen Lage in der Liga sollen die Spieler jedoch im Pokal nicht geschont werden. "Definitiv nicht", sagte Kowarz - der mit einiger Vehemenz darauf verwies, dass ausschließlich Möhlmann die Aufstellung festlege. "Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag", rechnete er unter Zuhilfenahme seiner Finger vor, "wir haben fünf Tage Zeit, da kann man erwarten, dass Profis regenerieren." Angedacht seien nach dem 0:1 in Fürth "ein oder zwei Wechsel". Abgesehen von der geplanten Rotation im Tor: Stefan Ortega bekommt den Vorzug vor Vitus Eicher.

Ansonsten sprach Kowarz eine ganze Weile über psychologische Kniffe, die zwar nicht gerade revolutionär anmuten, mit denen er gleichwohl "Prozesse innerhalb der Mannschaft ausgelöst" habe. Kowarz hat den Spielern etwa erzählt, dass ein Kind "auch erst fünfmal hinfällt, wenn es Fahrradfahren lernt". Und er hat sie auf die Bedeutung eines funktionierenden Mannschaftsgefüges hingewiesen, auf dem Platz soll mehr geredet werden. "Wenn der Hintere den Vordermann steuert, dann entstehen manche Situationen erst gar nicht", und: "Wenn ein Haus brennt, dann muss ich doch da hinrennen!" - mit Fußbällen sei das nicht anders zu handhaben.

So also löst der Trainer Kurt Kowarz Probleme, sein Ansatz ist küchenpsychologischer als der von Felix Magath. Der ließ zur Ertüchtigung seiner Spieler in Wolfsburg lieber einen künstlichen Hügel aufschütten. Sie nannten ihn "Mount Magath".

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Quelle:
SZ vom 27.10.2015
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