Süddeutsche Zeitung

Tennis:Warum Rafael Nadal die Gegner vorführt

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Von Lisa Sonnabend

Rafael Nadal saß im Presseraum, er hatte Tränen in den Augen, frustriert blickte er in die Runde. Es war einfach nichts mehr zu machen. Der Spanier musste seine Drittrundenpartie beim Grand-Slam-Turnier in Roland Garros absagen, das Handgelenk schmerzte zu sehr. Das war im Jahr 2016.

Ein Jahr später nun hämmert Nadal eine Vorhand über das Netz. Longline, aus dem Laufen, ohne hinzuschauen. Das Pariser Publikum raunt, sogar sein Gegner Stan Wawrinka applaudiert. Der Kontrast zwischen diesen beiden Szenen könnte größer nicht sein.

6:2, 6:3 und 6:1 fegte der Spanier am Sonntag im Finale Wawrinka vom Platz und schrieb Tennisgeschichte. Es war sein zehnter Triumph bei den French Open, so oft hat kein Spieler zuvor beim gleichen Grand-Slam-Turnier gewonnen. Nadal gab in den zwei Wochen keinen einzigen Satz ab, in sieben Partien lediglich 35 Spiele. Als er den Pokal überreicht bekam, umarmte er ihn glücklich, er knabberte den Henkel an, schmuste mit ihm. Nadal ist in Paris eine beeindruckende Rückkehr gelungen. Denn der 31-Jährige hat nicht nur gezeigt, dass er noch einmal ein großes Turnier gewinnen kann, sondern er hat sein Tennis auf ein neues Niveau gehoben.

Seit einigen Monaten spielt Nadal, der in seiner Karriere von so vielen Verletzungen geplagt wurde, beschwerdefrei. Das Knie schmerzt nicht, das Handgelenk hält, der Rücken ist stabil und der Blinddarm weg. Das sieht man seinem Spiel an. Nadal, der immer wieder mit Dopinggerüchten konfrontiert war, spielt fast so kraftvoll wie früher. Doch zuletzt hat der Spanier nicht nur hart an seiner Physis gearbeitet, sondern einiges umgestellt.

Im Januar holte er den ehemaligen Weltranglistenersten Carlos Moya in sein Team, der ihn nun gemeinsam mit seinem Onkel Toni trainiert. Nadal vertraut Moya, mit dem er befreundet ist und mit dem er einst gemeinsam Doppel spielte. Der neue Einfluss im Team machte sich bezahlt.

Nadal nahm Änderungen an seinem Schläger vor, der ist nun schwerer und kopflastiger. Das bedeutet: mehr Tempo. Seine Weltklasse-Vorhand schlägt der Spanier nun oft geradliniger und noch schneller. Die Rückhand ist deutlich flacher und damit aggressiver geworden, der Gegner gerät sofort in Bedrängnis, hat kaum Zeit zu reagieren. Besonders emsig hat Nadal mit Moya jedoch am Aufschlag gearbeitet. Der ist variantenreicher geworden, auch das zweite Service eine Gefahr. Das verdeutlicht eine Statistik: Nadal gewinnt, wenn er über den zweiten Aufschlag gehen muss, sechs Prozent mehr Punkte als im Vorjahr.

Er stöhnt sogar beim Training

Für Zuschauer ist es eine Freude, Nadal zuzusehen - und auch er selbst hat wieder Spaß am Spiel. Die Selbstzweifel sind weg, das Selbstbewusstsein zurück. Hungrig stürzt er sich in jedes Spiel, sogar beim Training ist sein Stöhnen zu hören.

Bis auf Platz zwei der Weltrangliste ist Nadal inzwischen geklettert. Die Jahreswertung führt er deutlich an vor Roger Federer, der auf seine alten Tage eine ähnlich wundersame Verwandlung wie Nadal erlebt.

Nach Nadals Rückzieher bei den French Open im vergangenen Jahr hatten manche über ein mögliches Karriereende des Spaniers geunkt, andere trauten ihm nicht einmal mehr den zehnten Titel in Roland Garros zu. Nun heißt beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon der Favorit: Rafael Nadal.

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