Süddeutsche Zeitung

Tennis:Er löst Herzklopfen aus

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Carlos Alcaraz wird als die derzeit größte Nummer im Männertennis gehandelt. Das bedeutet nicht automatisch, dass die Zeit von Djokovic und Nadal vorbei ist - doch Alcaraz hebt seinen Sport auf ein neues Niveau.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Ist Carlos Alcaraz der beste Tennisspieler der Welt? Zu diesem Urteil kam Alexander Zverev bei der Siegerehrung, nachdem ihn der Spanier im Finale am Sonntag mit 3:6, 1:6 überrollt hatte. Aus gutem Grund. Alcaraz gewann beim Masters-Turnier in Madrid gegen sein Vorbild Rafael Nadal. Er bezwang den Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic. Die beiden Größen, die 41 Grand-Slam-Titel bündeln, konnte zuvor kein Profi auf Sand bei derselben Veranstaltung besiegen.

Das Endspiel gegen Zverev, der sich zu recht über die späte Ansetzung seines Halbfinals gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas in der Nacht zuvor beklagte und platt war, wirkte, als würden sich Meister und Lehrling treffen. Selbst ausgeschlafen, räumte der Deutsche ein, hätte er wohl verloren. Nein, Zverev huldigte Alcaraz nicht aus Höflichkeit. Er spürte am eigenen Leib dessen Spiel, Wucht, Finesse. Auf diesem Niveau haben Profis ein Gefühl dafür, wie gut ein Kontrahent wirklich ist. Und Alcaraz fühlt sich gerade eben an wie der beste Spieler der Welt.

Das muss natürlich nicht zwangsläufig bedeuten, dass der 19-Jährige aus El Palmar als Nächstes bei den French Open seinen ersten Grand-Slam-Pokal gewinnt und die Zeit von Djokovic, 34, und Nadal, 35, vorbei ist. Der Spitzensport ist voller mahnender Beispiele, die davon zeugen, dass Talente zu früh mit Erwartungshaltungen überschüttet wurden. Niederlagen werden kommen.

Seine Grundlinienschläge sind oft härter als jene von Nadal, seine Stopps präziser als jene von Djokovic

Auch Zverev hat das erlebt und wartet jetzt, mit 25, trotz vieler wunderbarer Erfolge sehnsüchtiger denn je auf den einen erlösenden Grand-Slam-Sieg. Wie viele Triumphe Alcaraz hamstern wird - allein in dieser Saison gewann er vier Turniere -, wird die Zeit zeigen, doch auf eines kann sich die Branche schon freuen: Alcaraz hat etwas an sich, das Herzklopfen auslöst, bei Gegnern, Experten Zuschauern, Medien.

Das hat vor allem damit zu tun, dass Alcaraz den Eindruck vermittelt, als erster Vertreter der jungen Generation seinen Sport auf ein neues Niveau heben zu können. Er spielt nicht nur auf höchstem Niveau mit, sondern beweist Fähigkeiten, die manchmal komplett sprachlos machen. Seine Grundlinienschläge sind teils härter als jene von Nadal, seine Stopps präziser als jene von Djokovic. Taktisch variiert er. In engen Phasen wird er nicht nervös wie Zverev, dem wieder zu oft Doppelfehler unterliefen, sein ewiges Leid.

Alcaraz braucht auch keine "Next-Next-Gen"-Werbekampagne der ATP Tour, um sich zu verkaufen. Sein Spiel ist sein Marketing, das reicht. Von all den vielen begnadeten Vertretern der jüngeren Generation ist Alcaraz vielleicht der erste, bei dem ausschließlich seine Tenniskunst zu Aufregung führt. Disziplin-Debatten, wie sie etwa oft um den Australier Nick Kyrgios kreisten, dürfte er kaum auslösen. Er zerhackt nicht mal Schläger, da ist er richtig langweilig.

Nadal wurde Anfang des Jahres gefragt, ob ihm nicht vor der Zukunft des Männertennis bange sei, wenn die großen Drei - er, Federer und Djokovic - abtreten. Da lachte er und meinte, no no, es kämen immer neue Spieler nach, die als Maßstäbe, als Pole gelten, um die sich alles drehe. So sei der Lauf des Dinge. Ganz sicher hat Nadal in diesem Moment auch an Carlos Alcaraz gedacht.

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