Süddeutsche Zeitung

Taktik des FC Bayern:Vorne spritzt die Wasserpistole

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Von Benedikt Warmbrunn

Auf einmal stand dann mitten in der Nacht Pep Guardiola in der Münchner Innenstadt, in der Hand eine schwere Sporttasche, und doch wirkte er ganz befreit. Sein knalliges Poloshirt leuchtete in der warmen Sommerluft, wie ein Farbklecks schwebte es an einen der äußeren Tische auf dem Vorplatz einer Bar. Guardiola bestellte sich einen Drink mit einer Zitrone drin, trank, redete, lächelte für Selfies mit den anderen Trinkenden, und als dann nichts mehr zu trinken war in seinem Glas, es ging auf zwei Uhr zu, da bearbeitete er eben mit einem Strohhalm die Zitrone. Pep Guardiola war jetzt einfach nur noch: ein friedlicher Mann in der Nacht mit einem leeren Glas.

Er war also ein ganz anderer Mann als in den drei Tagen zuvor.

In dieser Woche war der Trainer des FC Bayern dadurch aufgefallen, dass er bei einer Pressekonferenz erst apathisch ins Nirgendwo schaute und dann Journalisten feurig zurückkritisierte. Er hatte sich mit Nigel de Jong, dem Fußballer im Körper eines Wrestlers, angelegt. Eine weitere Pressekonferenz hatte er mürrisch und fluchtartig verlassen, am Ende rempelte er eine Tür auf, als hätte auch er den Körper eines Wrestlers. Und dann, als die erste Hälfte dieser Woche eigentlich schon vorbei war, legte sich der Katalane Guardiola mit Fans von Real Madrid an, auf provokante Gesänge reagierte er mit provokanten Gesten.

Diese drei Tage, in denen Guardiola so gereizt war wie selten zuvor, waren, nur zur Erinnerung, übrigens die Tage eines Vorbereitungsturnieres.

Guardiola hatte gekämpft, für sich selbst, für seine Ansichten, für seinen Weg. Die drei Tage hatten gezeigt, dass der Trainer diesen Weg auf seine eigenwillige Weise weitergehen wird, bis zum Ende, wie auch immer dieses aussehen wird.

Nun also saß er mitten in der Nacht in der Münchner Innenstadt, ganz beruhigt, aber das musste nichts heißen. Ein Mann, der die Zitrone in seinem leeren Glas zersticht, ist zunächst einmal ein Mann, der die Zitrone in seinem Glas zersticht.

Wenige Stunden zuvor hatte der FC Bayern das Vorbereitungsturnier gewonnen, 1:0 besiegte die Mannschaft im Finale Real Madrid. Guardiola hatte dieses Turnier, in dem der FC Bayern am Abend zuvor gegen den AC Mailand 3:0 gewonnen hatte, genutzt, um ein paar weitere Komponenten für seinen Weg zu testen. Und am Ende dieses Tests war nicht mehr zu übersehen, welche zentrale Rolle auf diesem Weg die Angreifer übernehmen werden.

Guardiola wird ja eine Liebe zu Mittelfeldspielern nachgesagt, am häufigsten von ihm selbst. Diese Liebe hat in Guardiolas ersten beiden Jahren in München zu zwei souveränen Meistertiteln in der Bundesliga geführt, in der Champions League scheiterte der Trainer jedoch zweimal im Halbfinale. Zur neuen Saison ist er daher nun gewillt, sein System mehr auf einen anderen Mannschaftsteil auszurichten. Auf einen Mannschaftsteil, den Guardiola in seiner Trainerkarriere auch schon nahezu aufgelöst hatte: auf den Sturm.

Gegen Madrid verzichtete er zwar in der ersten Halbzeit noch auf einen echten Angreifer, stattdessen ließ er Thomas Müller durch das Mittelfeld schlängeln. In der zweiten Halbzeit wechselte er dann Robert Lewandowski ein, und der Stürmer wurde schnell zu einem Fixpunkt in den Offensivaktionen. Schon beim 3:0 gegen Mailand hatte der Pole getroffen, gegen Madrid erzielte er in der 88. Minute den Siegtreffer, nach einem Freistoß von Douglas Costa, von dem Spieler also, den Guardiola als genau das eingeplant hat: als Zuarbeiter. "Er kann Müller oder Lewandowski noch besser machen", sagte der Trainer nach dem Vorbereitungsturnier.

Lewandowski erzielte in der vergangenen Saison, seiner ersten in München, 25 Tore, 17 davon in der Bundesliga, und dennoch stand der Stürmer manchmal etwas verloren auf dem Spielfeld herum. Er nahm stets am Kombinationsfußball teil, lief oft weite Wege. Aber wenn dann der Ball bei den Seitenlinienakrobaten Franck Ribéry und Arjen Robben landete, war Lewandowski oft so überflüssig wie eine Wasserpistole bei strömendem Regen.

Ribéry zog von links in die Mitte, Robben zog von rechts in die Mitte, und Lewandowski blieb lediglich noch, die Mitte frei zu räumen. Als dann die beiden Solisten in der entscheidenden Phase der vergangenen Saison verletzt ausfielen, war in der Mannschaft kein Spieler mehr, der Lewandowski geschickt ins Spiel einbinden konnte. Es fehlte einer, der die Wasserpistole bei flimmernder Hitze einzusetzen wusste.

Diese fehlende Stelle im Kader hat der Verein zum einen durch Costa besetzt, der seine Dribblings gerne mit einem Zuspiel abschließt. Und zum anderen mit Arturo Vidal, einem weiteren gedankenschnellen Passspieler, der dazu mit seinem robusten Körper Räume für Lewandowski freiblocken kann. Und der durch seinen vehementen Körpereinsatz das Gegenpressing des Teams verbessern soll, das schnelle Zurückerobern des Balles also, verbunden mit einem blitzschnellen Torabschluss. "Unser Ziel muss es sein, auf dem Weg jeden Tag ein Stück weiter nach oben zu kommen", sagte Lewandowski.

Am Ende der Vorbereitung, vor dem Pokalspiel am Sonntag in Nöttingen, ist diese neue Offensive des FC Bayern zumindest schon so weit oben angekommen, dass kaum aufgefallen ist, dass Ribéry und Robben verletzt gefehlt haben.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2015
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