Süddeutsche Zeitung

Sportpolitik:Auswärtiges Amt ist verwundert über Bachs Diplomatenpass

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Von Johannes Aumüller, Berlin/Frankfurt

Auch die Spitze des Auswärtigen Amtes ist verblüfft, dass IOC-Präsident Thomas Bach bereits seit 1994 im Besitz eines Diplomatenpasses ist. In der Fragestunde des Bundestages am Mittwoch sagte Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu: "Ich habe das genauso jetzt erfahren und bin genauso überrascht wie Sie." Zu den Gründen für die Ausstellung des Ausweises für Bach konnte sie aber ebenso wenig mitteilen wie zu den Fragen, wie oft und unter welcher Minister-Verantwortung der Ausweis in den vergangenen 22 Jahren verlängert wurde. Dazu hätte sie keine Informationen, sagte Böhmer. Dabei ist der Sachverhalt bereits seit mehreren Tagen bekannt.

Die SZ hatte am Samstag berichtet, dass Bach, 62, bereits seit dem Jahr 1994 über einen Diplomatenpass verfügt. Der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim war 1991 Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) geworden, seit Herbst 2013 führt er es als Präsident an. Normalerweise ist der Diplomatenpass nur für hochrangige Politiker, echte Diplomaten sowie deren Familienangehörige gedacht. Es sind gemäß der gültigen Verordnung allerdings Ausnahmen möglich für Personen, die "Reisen im amtlichen Auftrag oder im besonderen deutschen Interesse" unternehmen. Beim IOC handelt es sich jedoch um eine private Institution, deren Mitglieder nur die Interessen des exquisiten Olympia-Zirkels und nicht die ihres Heimatlandes zu vertreten haben. Zudem war Bach seit den Neunzigerjahren bis Herbst 2013 parallel zu seiner IOC-Tätigkeit stets auch als Geschäftsmann für die Privatwirtschaft tätig.

Entsprechend kritisch fielen die Reaktionen bei Politikern und Staatsrechtlern aus. "Das verwundert mich, weil mir eine inhaltlich nachvollziehbare Begründung jedenfalls bisher fehlt", sagte Dagmar Freitag (SPD), Vorsitzende des Sportausschusses und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Auch der frühere Verteidigungsminister und Staatsrechtler Rupert Scholz kritisierte die Entscheidung. "Eine Legitimität kann ich nicht erkennen", sagte der CDU-Politiker dem Deutschlandfunk, "deshalb ist ein Diplomatenpass nach meiner Auffassung hier völlig fehl am Platz." Es gebe einige Fragen, die man dem Auswärtigen Amt stellen müsse. Noch gibt es keine Antworten.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2016
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