Süddeutsche Zeitung

Sportpolitik:Absurdes Privileg des DFB

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Von Thomas Kistner, München

Russland-Doping, Kriminalermittlungen gegen Sportfunktionäre, Blanko-Freisprüche für Olympia-Mannschaften - der Spitzensport rutscht immer tiefer in die Glaubwürdigkeitskrise. Der ganze Spitzensport? Eine Insel der Glückseligen gibt es: Fußball. Als pharmazeutisch blitzsauber präsentiert sich just die reichste, dynamischste und global begehrteste Sportart.

Was nicht verwundert, weil das Dopingkontrollsystem im Fußball nur geringen Fahndungseifer offenbart. Eine lästige Pflichtübung, in der sich die Verbände sogar die Deutungshoheit über Betriebsunfälle gesichert haben. Der Weltmeister macht es vor: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat alles im Griff - dank offenkundiger Sonderregelungen, die ihm die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) gewährt.

Im Ernstfall kann das Anti-Doping-Gesetz ausgehebelt werden

Mit Stolz verkündete der DFB im Jahr 2015, dass die Nada von der bevorstehenden Saison an die Dopingkontrollen komplett übernimmt. Jetzt entlarvt das Doping- und Rechercheteam des Bayerischen Rundfunks, dass die Funktionäre das Krisenmanagement weiter fest in Händen haben: Profiklubs und DFB-Offizielle werden über die Ergebnisse von Dopingtests so informiert, dass ihnen weitreichende Handlungsmöglichkeiten bleiben. Und schlimmer noch: Im Ernstfall kann auch das erst im Vorjahr hierzulande mit großem Tamtam verabschiedete Anti-Doping-Gesetz ausgehebelt werden.

Eine entsprechend absurde Regelung hat sich der DFB unter Paragraf 3, Absatz 3 in seine Durchführungsbestimmungen geschrieben: Darin fordern die Funktionäre, über den positiven Befund einer A-Probe spätestens 24 Stunden nach dem Eingang des Laborresultats bei der Nada darüber informiert zu werden. Das widerspricht dem Geist jeder unabhängigen Betrugskontrolle: Es ließen sich ja dank dieser frühen Warnung auch Vorkehrungen gegen etwaige staatliche Maßnahmen treffen, die auf Grundlage des verschärften Anti-Doping-Gesetzes erfolgen müssten.

Denn die Nada muss laut Gesetz die Staatsanwaltschaften über einen Positivbefund informieren; letztere sind dann zu Hausdurchsuchungen befugt. So wie im Frühsommer 2016 im Fall von Marco Russ, des Mannschaftskapitäns von Eintracht Frankfurt. Bei dem war zunächst ein positiver Dopingtest ermittelt und im Zuge dessen eine Krebserkrankung diagnostiziert worden. Unabhängig von diesem Fall gilt: Razzien bei Sportlern, die zeitgleich mit den Behörden über einen Verdacht informiert werden, kann man gleich sein lassen - Razzien erfolgen nicht binnen Stunden, vorsorgliche Aufräumaktionen im Zweifelsfall schon.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Umstand, dass bei Positivbefunden oft weitere Abklärungen nötig sind: Etwa, ob eine therapeutische Ausnahmegenehmigung vorliegt. Solche Atteste können sogar nachträglich eingereicht werden; diese Abklärungen können nach Experteneinschätzung bis zu sieben Werktage dauern. Da wirkt es absurd, wenn der DFB schon binnen 24 Stunden informiert werden soll.

Als unabhängige Instanz kann man einen Dachverband über dem Milliardenbetrieb Profifußball ja keineswegs betrachten. Vielmehr ist die Gefahr von Interessenskonflikten gerade beim Krisenmanagement mit einem Dopingfall im Profifußball (und den mutmaßlichen Imageschäden) außerordentlich real - und außerordentlich groß. Die Recherchen des Bayerischen Rundfunks haben denn auch gezeigt, dass andere Teamsportarten wie Basketball oder Handball keine Sonderrechte für Funktionäre zur Einsicht in Dopingsachverhalte genießen.

Hinzu kommt der Datenschutz-Aspekt. Während im Sport generell zuerst der Athlet über pharmazeutische Funde in seinem Körper informiert wird, läuft diese Botschaft im Fußball über die Vereine - also über die Arbeitgeber. Auch das hat der Fall Russ offenbart. Den BR-Rechercheuren sagte der Frankfurter Profi, der vor einigen Monaten auf den Rasen zurückgekehrt ist: "Nach dem Training kam der Trainer dann zu mir und sagte, dass eine positive Dopingkontrolle vorliegt." Der Trainer? Nicht nur Datenschützer halten solche Informationswege für "hochproblematisch".

Der DFB und die Nada bestritten gegenüber dem BR, dass es eine Sonderregelung für den Fußball gäbe. Sie finden, die DFB-Richtlinien seien mit dem Nada-Code vereinbar. Doch weitere Informationen nähren den Verdacht, dass die Test-Prozeduren im Fußball exorzistischen Charakter haben. So sind die Testzahlen im Fußball weiter marginal im Verhältnis zur Anzahl der betroffenen Spieler und Spiele. Und Trainingstests werden laut BR-Recherche weiterhin rigoros vernachlässigt. So sei in der Winterpause nicht einmal jeder zehnte Erstliga-Profi kontrolliert worden. Hochenergetische Kicker wie beispielsweise die von RB Leipzig hätten im gesamten Trainingslager keinen Kontrolleur zu Gesicht bekommen.

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Quelle:
SZ vom 04.04.2017
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