Süddeutsche Zeitung

Deutscher Touring Yacht-Club:Wenn die 30er-Schranke fällt

Lesezeit: 3 min

Der zweimalige Meister und Champions-League-Sieger Deutscher Touring Yacht-Club aus Tutzing steigt aus der Segel-Bundesliga aus - weil arrivierte Kräfte aufhören und der Nachwuchs noch nicht so weit ist.

Von Ralf Tögel

Der deutsche Meister steigt aus der Bundesliga aus. Und ein ehemaliger Champions-League-Sieger und zweimaliger nationaler Titelträger zieht nach. Eine Katastrophe? Im Fußball zweifellos, so eine Nachricht würde den Sport erschüttern. Aber im Segelsport? "Eine Vernunftentscheidung", sagt Wolfgang Stückl, Vorstandsmitglied des Deutschen Touring Yacht-Clubs in Tutzing am Starnberger See und dort zuständig für den Leistungssport. In "vielen intensiven Gesprächen" mit den Aktiven, Sponsoren und der Vereinsführung habe man sich schließlich auf die Entscheidung geeinigt, als einer der erfolgreichsten Vereine der Deutschen Segel-Bundesliga in dieser Saison nicht an den Start zu gehen: "Wir haben noch nicht genügend Nachwuchssegler, um das Team vernünftig zu besetzen." Und die erfolgreiche Generation der vergangenen Jahre hat mittlerweile andere Prioritäten, Familie und Beruf zum Beispiel. Da bleibe schlichtweg nicht mehr genug Zeit, um den mittlerweile riesigen Aufwand für die Bundesliga zu bewältigen. Denn so sehr sich die Liga professionalisiert hat, die meisten Sportler sind nach wie vor reine Amateure.

"Das ist in der Außenwirkung nicht schön, kommt aber immer mal wieder vor", sagt Oliver Schwall, Geschäftsführer der Segel-Bundesliga, die 2013 gegründet wurde, sich seither etabliert hat und vielen anderen Ländern als Vorbild diente und dient. Das Prinzip ist einfach: Gleiche Boote, mehrere Spieltage, am Ende setzt sich die beste Crew durch. Schwall war selbst ein international erfolgreicher Segler, unter anderem Weltmeister mit seinem Bruder René in der Tornado-Bootsklasse, er kennt das Geschäft. In der aktuellen Saison, die Ende Mai begonnen hat, muss er nicht nur den Rückzug des DTYC verkraften, sondern auch den des aktuellen Titelträgers One Kiel.

"Die beiden Sachverhalte muss man aber unterschiedlich bewerten", erklärt Schwall, denn gemeinsam ist beiden Vereinen nur, dass sie es nicht geschafft hätten, alle sechs Spieltage der laufenden Saison mit einer konkurrenzfähigen Mannschaft zu besetzen. Während die Tutzinger von ihrer Generationenlücke zu diesem Schritt gezwungen wurden, habe Kiel seinen Fokus geändert. "Das ist ein von einer Stiftung aufgebauter Rennstall, kein Yachtklub in traditionellem Sinne", sagt Schwall. Die Mannschaft der vergangenen Saison wurde aus hochklassigen Seglern einzig mit dem Ziel, den Titel zu gewinnen, zusammengestellt - was auch mit Bravour gelang. Der Auftrag war also erfüllt, die Profis bekamen Angebote aus anderen Wettbewerben.

Es gibt große Talente im Touring Yacht-Club, die sind aber zwischen 13 und 17 Jahren alt und sollen nicht verheizt werden

Der Touring Yacht-Club vom Starnberger See indes hat schlichtweg nicht genügend konkurrenzfähige Segler zur Verfügung, wie Wolfgang Stückl betont. In der vergangenen Saison konnte zwar der Abstieg gerade noch vermieden werden, weil am letzten Spieltag, als es eng wurde, Stückls Sohn Julian als erfahrener Steuermann eingesprungen war, das aber sei kein Muster für die Zukunft. Zwar gebe es im Klub viele hoffnungsvolle Talente, die seien aber zwischen 13 und 17 Jahren alt. Die Vorstellung, diese Generation nur für ein weiteres Bundesligajahr zu verheizen, erschien den Verantwortlichen wenig reizvoll, zumal eine Saison bei etwa 40 000 Euro veranschlagt wird. "Die Jungen sind nicht rennerfahren, das kann schnell in Frustration enden", sagt Wolfgang Stückl, diese Talente sollten sich erst in der Junioren-Bundesliga beweisen und wichtige Erfahrung sammeln. Das Geld sei derzeit in Olympia-Kampagnen für Paris 2024 mit den beiden Touring-Seglerinnen Nadine Böhm und Theresa Löffler besser investiert.

Wenn der Nachwuchs soweit sei, erklärt Stückl, werde der DTYC wieder eine Mannschaft in der zweiten Liga melden und versuchen, in die Segel-Beletage aufzusteigen. Was mit genügend Training in einer Saison zu bewerkstelligen sei, da ist der Tutzinger Leistungssportwart sicher.

Zumal in Julian Stückl und Maximilian Weiß zwei der erfahrenen Segler der goldenen DTYC-Generation bereits Bereitschaft signalisiert hätten, eventuell wieder einzusteigen. Beide waren an den großen Erfolgen des Vereins maßgeblich beteiligt, können aber derzeit nicht mehr genügend Zeit aufbringen. "Die meisten von uns waren 14 Jahre in derselben Trainingsgruppe, nun zählen wir zu den Älteren", sagt Weiß. Was sich für einen 33-Jährigen im Segeln ein bisschen komisch anhört, aber Weiß hat beruflich Karriere gemacht und ist Vater eines elfmonatigen Sohnes. "Es gab eine Verschiebung der Prioritäten", erklärt er, "was mit dem Fallen der 30er-Schranke auch passieren darf."

Zuletzt war Weiß zudem beim DTYC als Teammanager der Bundesligamannschaft engagiert, aber "der Sport ist sehr zeitaufwändig". Das Niveau in der Bundesliga ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, umfangreiches Training teilweise auf Seen in Europa oder dem Meer sind unabdingbar. Aber, so sagt Weiß auch, "wir haben uns ja nicht für immer abgemeldet". Wenn der Nachwuchs im Klub soweit sei, dann könne man über alles nachdenken. Das Format im Übrigen sieht Weiß nicht in Gefahr, auch wenn Foiling ein Trend sei, der in den kommenden Jahren stark zunehmen werde. Dabei kommen Boote zum Einsatz, an deren Unterseite Tragflügel montiert sind, die das Gefährt aus dem Wasser heben. Die Boote fliegen dann über das Wasser.

Oliver Schwalb findet diese Spielart auch interessant, ist aber sicher, dass ob der schweren Handhabung solcher Flitzer Amateure ausgegrenzt würden. Was in der Segelbundesliga eben vermieden werden soll - wer den Verein wechselt, muss ein Jahr pausieren, wenn der abgebende Verein nicht zustimmt. So soll ein Vorteil wohlhabender Klubs vermieden werden. Das Format hat Zukunft, sagt Schwall - auch wenn immer mal wieder ein Yachtclub eine Pause einlegt.

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