Süddeutsche Zeitung

Leroy Sané und Pep Guardiola:Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

Lesezeit: 4 min

Von Sven Haist und Benedikt Warmbrunn, London/München

Pep Guardiola wendete sich vom Spielfeld ab und deutete mit dem rechten Zeigefinger auf Leroy Sané. Es war ein nachträglicher Dank. In der achten Minute hatte Leroy Sané einen Freistoß rausgeholt, und diesen hatte Manchester City genutzt, um den Führungstreffer gegen den FC Liverpool zu erzielen in diesem englischen Supercup, den City später im Elfmeterschießen gewinnen sollte. Mit seinem Zeigefinger dankte Guardiola also seinem Flügelspieler - doch dieser bekam davon nichts mehr mit.

Zu diesem frühen Zeitpunkt verließ Sané bereits humpelnd und mit schmerzverzerrtem Gesicht den Rasen, nachdem er sich in einem Zweikampf mit Trent-Alexander Arnold am rechten Knie verletzt hatte. Guardiolas Zeigefinger zeigte also nur auf Sanés Rücken. Resigniert schaute der City-Trainer seinem Angreifer hinterher.

Nun muss nicht jeder übersehene Dank dafür stehen, dass es zwischen zwei Menschen ein grundsätzliches Problem gibt, und dennoch steht Guardiolas Zeigefinger dafür, wie schwierig manchmal die Zusammenarbeit zwischen dem Trainer und seinem Angreifer ist. Das wiederum erklärt, warum der FC Bayern gute Chancen im Werben um Sané hat, auch nach dessen Verletzung.

Im Sommer 2016 war Sané für knapp 50 Millionen Euro vom FC Schalke 04 nach Manchester gekommen, auf ausdrücklichen Wunsch des Trainers; der Hauptkonkurrent von City bei dem Transfer damals war übrigens ein gewisser FC Bayern. In den drei Jahren bei City ist Sané von einem großen Talent zu einem der begehrtesten Flügelspezialisten des Weltfußballs herangereift. Doch in Manchester und in der Zusammenarbeit mit Guardiola vermisst Sané etwas, was ihm der FC Bayern seit Wochen anbietet: Wertschätzung. Erst flirteten die Münchner Bosse öffentlich mit Sané, nach einem Verweis von City dann zumindest nicht mehr öffentlich (außer Trainer Niko Kovac, der dafür prompt von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge gerüffelt wurde). Irgendwann im Laufe dieses Sommers sprachen die Bayern auch mit Sané - in diesen Gesprächen stellten sie dem Vernehmen nach auch eine Art der Wertschätzung in Aussicht, die im Fußball eine hohe Bedeutung hat: ein deutlich gesteigertes Gehalt.

Mit City hatte Sané in diesem Sommer ebenfalls über einen neuen Vertrag gesprochen, der ihm aber nicht das erhoffte Geld versprochen hätte. Am Freitag erst hatte Guardiola berichtet, dass Verein und Spieler kurz davor waren, sich zu einigen - dann seien die Gespräche ins Stocken geraten. Es war wohl zu einer Zeit, in der das Interesse des FC Bayern konkreter wurde. Und so ist das Angebot aus München für Sané aus zwei Gründen reizvoll: finanziell - und für die eigene sportliche Entwicklung. Die Premier League mag attraktiver sein als die Bundesliga, sie ist es aber nur für einen Spieler, der dort auch gesetzt ist.

In der vergangenen Saison war Sané in 47 Partien für City im Einsatz, er war dabei an 34 Toren beteiligt, darunter an dem für den Gewinn der Meisterschaft mitentscheidenden Treffer gegen Liverpool. Doch in der Champions League, in den Spielen also, in denen hochbegabte Talente endgültig zu den aufregendsten Akteuren des Weltfußballs reifen können, setzte Guardiola kaum auf Sané. Beim Aus im Viertelfinale gegen Tottenham spielte der 23-Jährige insgesamt sieben Minuten. Es war die Begegnung, die zeigte, dass der Trainer nach wie vor reserviert auf die Fähigkeiten seines Flügelspielers schaut. Der sich nach Kontrolle sehnende Katalane hält sich Sané gerne als Joker auf der Bank warm, um ihn ins Spiel zu bringen, wenn nichts mehr zu verlieren ist. Zu beobachten war das im April gegen Manchester United, als City dringend einen Sieg benötigte - und dieser erst durch das Mitwirken von Sané zustande kam. Der Außenbahndribbler wiederum ist nicht ganz so angetan vom aufdringlichen Coaching Guardiolas, er folgt lieber seinen Instinkten. Damit soll der Trainer viel größere Schwierigkeiten haben als mit dem mitunter ausbaufähigen Defensivverhalten des deutschen Nationalspielers.

Das Interesse des FC Bayern versetzt Sané nun in eine Lage, in der er zwischen zwei europäischen Spitzenklubs auswählen und damit seinen eigenen Wert weit nach oben treiben kann. Intern und zuletzt auch öffentlich hat Guardiola klargemacht, dass jeder Spieler City verlassen könne, wenn er sich nicht vollends zum Verein hingezogen fühle. Damit möchte Guardiola, der als Trainer nichts mehr verabscheut, als fußballferne Themen moderieren zu müssen, jegliche Form der Unruhe vermeiden. Zudem benötigt er für seine Arbeitsweise die bedingungslose Gefolgschaft seiner Spieler. Die gelegentlichen Differenzen mit Sané allein garantieren allerdings nicht, dass Manchester seinen Spieler nach München abgeben wird.

Öffentlich beharrt City auf dem Standpunkt, von dem Poker nichts zu wissen. Auf diese Weise behält der Klub die Hoheit über die Personalie. Denn ein Verkauf würde einen Engpass im Aufgebot auf den offensiven Außenpositionen nach sich ziehen, die ohne Sané mit Raheem Sterling, Bernardo Silva und Riyad Mahrez nur spärlich besetzt wären für die Ambitionen des Klubs. Die Erfolge der Mannschaft beruhen zudem auf dem internen Konkurrenzkampf, der Guardiola die Möglichkeit gibt, jeden Spieler jederzeit zu ignorieren - um ihn so neu zu motivieren. Und in England schließt schon am Donnerstag um 18 Uhr deutscher Zeit das Transferfenster, dann würde Manchester bei einem Weggang von Sané keinen Nachfolger verpflichten können. Dem Vernehmen nach soll City aktuell auch keinen Ersatz in der Hinterhand haben. Außerdem hat City in den elf Jahren unter der Führung der Abu Dhabi Group noch keinen Leistungsträger verkauft; die höchsten Erlöse waren die Weggänge von Álvaro Negredo (2015 nach Valencia) und Kelechi Iheanacho (2017 nach Leicester), für die City jeweils knapp unter 30 Millionen Euro kassierte.

Dass Sané gegen Liverpool auflaufen musste, war daher nicht nur ein Fingerzeig an den Spieler und den FC Bayern. Es war auch eine Notwendigkeit. Nach dem freiwilligen Verzicht Guardiolas auf die südamerikanischen Angreifer Sergio Agüero und Gabriel Jesus, die nach der Copa América verspätet ins Klubtraining eingestiegen sind. Sané musste spielen, weil City ohne ihn einen Engpass im Kader hat. Genau die Lücke, die Sané in München schließen soll, würde er also in Manchester aufreißen.

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SZ vom 06.08.2019
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