Süddeutsche Zeitung

Saisonabbruch im Eishockey:"Mittlerweile sage ich: Passt mal lieber auf!"

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Nationalspieler Marcel Noebels von den Eisbären Berlin spricht über das abrupte Ende der Eishockey-Saison und warum er Frust bei den Fans nachvollziehen kann.

Interview von Johannes Schnitzler

Stürmer Marcel Noebels, 27, gehört zu jenen Profis, die die Absage der Playoffs in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) am Dienstag völlig unvorbereitet erwischte. Im Interview spricht der Nationalspieler von den Eisbären Berlin darüber, wie er mit dem vorzeitigen Saisonende umgeht.

SZ: Herr Noebels, wann hat die Mannschaft vom Abbruch der Saison erfahren?

Marcel Noebels: Wir hatten am Dienstagabend ein Teamessen. Es sollte der letzte Abend sein, bevor am Mittwoch die Vorbereitung auf das Viertelfinale beginnt. Wir haben noch einen Motivationsfilm gesehen. Gegen 18 Uhr hat uns dann unser Geschäftsführer Peter John Lee informiert, dass die Saison gelaufen ist. Das Essen wurde dann eher zu einer Trauerfeier.

Nachdem Sie eine Nacht drüber geschlafen haben: Wie fühlt sich die Lage heute an?

Es ist sehr, sehr bitter. Wir trainieren die ganze Saison und spielen 52 Spiele, um dort hinzukommen. Dass die Playoffs genau jetzt abgesagt werden, wo's losgegangen wäre, ist ein schwerer Schlag. Aber ich kann's nicht ändern.

Sie sind gerade auf dem Weg in die Eishalle, normalerweise wäre um diese Zeit jetzt Training. Was passiert nun?

Darüber haben wir am Dienstag nicht mehr viel geredet. Wir haben gleich ein Meeting, bei dem wir Informationen bekommen, wie es weitergeht. Dann kommen wohl noch die Abschlussgespräche und die medizinischen Untersuchungen.

Die übliche Routine zum Saisonabschluss eigentlich. Nur eben diesmal schon Mitte März.

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals Mitte März Saisonende gehabt hätte. Ich warte immer noch drauf, dass jemand um die Ecke kommt und sagt: "Auf! Ihr müsst euch umziehen!" Das alles ist in meinem Kopf noch nicht so richtig angekommen.

Sie sind in dieser Saison Topscorer der Eisbären Berlin, liegen als bester deutscher Spieler an Nummer drei der DEL-Scorerwertung und haben so viele Punkte gemacht wie nie zuvor in Ihrer Karriere. Für Sie dürfte die Absage der Playoffs besonders ärgerlich sein.

Ich hatte in diesem Jahr wirklich einen sehr guten Lauf und war ziemlich heiß auf die Playoffs. Zumal ich in den vergangenen Jahren dann immer noch ein bisschen besser gespielt habe als in der Hauptrunde. Ich glaube auch, dass mit unserer Mannschaft einiges drin gewesen wäre. Dieser Stachel sitzt schon tief. Aber ich bin noch relativ jung und habe noch einige Jahre im Eishockey vor mir. Ich fokussiere mich auf die nächste Saison und freue mich darauf, da weiterzumachen, wo ich jetzt aufgehört habe.

Trotzdem: Playoffs und die WM im Mai sind Phasen, in denen die Scouts aus Nordamerika genauer hinschauen. Sie sind 2011 von Philadelphia gedraftet worden und haben an NHL-Trainingscamps teilgenommen. Jetzt wäre eine Gelegenheit gewesen, sich noch einmal zu zeigen.

Das ist richtig. Jetzt wäre die Zeit, in der sich die Leute noch ein bisschen mehr dafür interessieren, wie einer spielt, wenn's eng wird. Aber dadurch, dass bei uns Lukas Reichel (U-20-Nationalspieler, Anm. d. Red.) sehr oft beobachtet wurde, hat der eine oder andere vielleicht auch mich mal gesehen. Vielleicht hätte ich bei der Weltmeisterschaft auch eine andere Rolle gespielt als in den vergangenen Jahren. Aber "hätte, hätte" nutzt nichts. Ich will meine Leistung in der nächsten Saison bestätigen. Gute Spieler halten ihr Niveau langfristig.

Sie glauben nicht, dass die Weltmeisterschaft in der Schweiz in diesem Jahr noch stattfinden wird?

Ich glaube, dass sie kaum stattfinden kann. Bis zum Start (8. Mai, Anm. d. Red.) wären das fast zwei Monate ohne Spielbetrieb, zum Teil ohne Gelegenheit, aufs Eis zu gehen, weil manche Klubs gar kein Eis mehr haben. Wie soll man sich da fit halten? Das wäre schwierig. Außerdem: Die Schweizer haben als Erste den Spielbetrieb eingestellt. Vielleicht erleben wir noch einen kompletten Shutdown weltweit (in Österreich ruht der Spielbetrieb mittlerweile ebenfalls, auch in der nordamerikanischen NHL gibt es Spielabsagen, Anm.). Ich habe am Anfang auch gedacht: Ja, ja, wird schon nicht so schlimm sein. Aber mittlerweile sage ich: Passt mal lieber auf!

Sie halten die Entscheidung, die Saison vorzeitig zu beenden, für richtig?

So traurig es im Moment ist, ja.

Verstehen Sie den Frust der Fans?

Die Fans sind natürlich mit Herz und Seele dabei. Hätte man die Saison Mitte November eingestellt, wäre es wahrscheinlich halb so schlimm gewesen. Jetzt ist es umso schlimmer. Aber letztlich geht es auch um die Sicherheit und die Gesundheit der Zuschauer. Vielleicht sagen wir im Rückblick in ein paar Jahren: Es war richtig so.

Wenn die Saison Mitte März endet, Ihr Vertrag aber bis Ende April läuft - müssen Sie dann eigentlich einen Teil Ihres Gehalts zurückzahlen?

Keine Ahnung ( lacht). Ich glaube nicht. Wir haben alles dafür getan, das Bestmögliche aus dieser Saison herauszuholen. Ich glaube, alle im Klub sind mit uns zufrieden, da wird wohl keiner was zurückhaben wollen. Wenn, dann müssten wir eher den Fans etwas zurückgeben.

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Quelle:
SZ vom 12.03.2020
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