Süddeutsche Zeitung

Real Madrid vor der Meisterschaft:"Verdammt, immer dieselbe Frage"

Lesezeit: 4 min

An diesem Abend holen die Königlichen wohl den nächsten Titel, doch die Feierlichkeiten sind getrübt. Durch die Corona-Umstände - und durch das Verhalten von Gareth Bale.

Von Jonas Beckenkamp

Bei Real Madrid verschickten sie dieser Tage eine königliche Mitteilung ans Volk, deren Inhalt einmalig sein dürfte. Darin bittet der Klub seine Fans und Mitglieder inständig, auf Versammlungen und öffentliches Feiern zu verzichten. Für den wahrscheinlichen Fall, dass an diesem Donnerstagabend die 34. Meisterschaft feststeht, soll es auch rund um den Cibeles-Brunnen unweit des Bernabeu-Stadions möglichst ruhig bleiben.

Cibeles, eine Art Rathausbalkon der Madrilenen, hat vieles erlebt, hier wurde getrunken, geschunkelt, gezündelt und gegrölt - aber ein Feierverbot dürfte selbst die 418 Jahre alte Göttinenstatue verwundern. "Real Madrid fühlt sich verpflichtet zu diesem Aufruf", heißt es, man sei sich der verzwickten Lage der Pandemie bewusst und wolle seinen Beitrag zum Wohlergehen aller leisten. Aber ob den auch die Fans leisten wollen?

Es ist nämlich nicht so, dass dieser Titel, zu dem ein Sieg gegen Villarreal an diesem Abend (21 Uhr) reicht, von langer Hand daherkommt. Tatsächlich hatte noch im März und auch nach dem Re-Start von La Liga der FC Barcelona die Tabelle angeführt. Doch eine Serie von lähmenden Unentschieden warf den Rivalen so zurück, dass jetzt Real vier Punkte Vorsprung hat - bei noch zwei verbleibenden Partien. Im Gegensatz zu Barça, haben die Königlichen den Minimalismus für sich entdeckt. Meist reichte ihnen in den vergangenen Wochen ein Tor Vorsprung - Trainer Zinédine Zidane berichtet aber auch von einem besonderen Fokus seiner Spieler im letzten Saisondrittel.

Nach dem strengen Lockdown, in dem der Fußball in Spanien in weite Ferne gerückt war, habe er in der Kabine einen neuen Geist gespürt. "Die Spieler wollten auch nach dem Training länger zusammen bleiben und an Details arbeiten". Sie wollten "etwas Großes leisten", bemerkte der Mister - und dann hörten sie einfach nicht mehr auf, zu gewinnen. Solche Siegesserien verschaffen Trainer und Team Gelassenheit und wenn es weltweit eine Mannschaft gibt, in der Gelassenheit und Wettkampfhärte in Perfektion verschmelzen, dann ist es Real Madrid.

Wesentliche Beiträge kamen zuletzt vom Capitano Sergio Ramos, der reihenweise entscheidende Treffer erzielte, sowie von Karim Benzema, dem madrilenischen Lewandowski. Und selbst Toni Kroos traf mal wieder, beim 3:1 gegen Eibar zum Wiederanpfiff der Saison. In Spaniens Medien kapriziert sich zum Titelgewinn trotzdem vieles auf Zidane, dem es einmal mehr gelungen ist, sein Personal im richtigen Moment wachzukitzeln. Und der es geschafft hat, dass selbst die Kaspereien von Gareth Bale, 30, die Erfolgssträhne nicht behelligen.

Der 101-Millionen-Mann aus Wales, immer noch Rekordtransfer in Madrid, fiel zuletzt als Alleinunterhalter auf: Erst stellte er sich während eines Spiels mit Maske vor dem Gesicht schlafend, dann beobachtete er eine Partie mit einer Handgeste wie durch ein Fernglas. Bale habe wieder seine "Null-Bock-Mentalität" an den Tag gelegt, schrieb Marca, was ein wenig zu kurz greift. Das Verhältnis zwischen ihm und insbesondere Zidane ist durchaus komplexer, der Stempel des Faxenmachers wird dem Briten nicht ganz gerecht. Dass der bestbezahlte Profi des Klubs seinen Vertrag bis 2022 offen protestierend aussitzen will, hat einen Grund: Er ist beleidigt, weil er kaum spielt - und gleichzeitig nicht wechseln darf.

Erst im vergangenen Sommer verkündete ein genervter Zidane öffentlich Bales Abschied von Real. Ein Quasi-Rauswurf, nachdem der Franzose schon 2018 nach dem Champions-League-Sieg unter anderem wegen Bale mit Klubboss Pérez im Clinch lag und zurücktrat. "Es ist nichts Persönliches. Der Verein verhandelt jetzt mit anderen Klubs. Wenn er morgen wechselt, wäre es das Beste für alle", sagte Zidane. Bales erlösender, entgeltfreier Transfer nach China schien beschlossen zu sein, als plötzlich ein möglicher Verkauf von James Rodríguez (der von den Bayern zurückkehrte) alles ausbremste.

Real wollte in Person von Präsident Pérez den Gesichtsverlust nicht hinnehmen, für die einstige Hauptattraktion Bale nichts zu bekommen, aber für einen Mitläufer wie James kolportierte 40 Millionen Euro. So verlangte man plötzlich auch für Bale wieder eine stattliche Summe und die Chinesen von Jiangsu Suning waren dermaßen vor den Kopf gestoßen, dass es dem Vernehmen nach nie wieder Kontakt gab. Kurioserweise zerschlug sich der James-Transfer, auch Bale blieb und Zidane setzte ihn immer weniger ein. Seither schmollt der Mann aus Cardiff, unter anderem vor einem Fan-Banner jubelnd, auf dem bei einem Länderspiel stand: "Wales. Golf. Madrid. In dieser Reihenfolge".

Gekommen war er 2013 als neuer Liebling Pérez', der sich die Gunst der Zuschauer bei Real Jahr für Jahr mit teuren Vorzeigetransfers verdient. Gebracht hat er immerhin 105 Tore in 251 Partien, er gewann die Meisterschaft und insgesamt vier (!) Mal die Champions League - den letzten Triumph sicherte er Real unter anderem mit dem wohl spektakulärsten Tor der Final-Geschichte der Königsklasse, einem Fallrückzieher von der Strafraumgrenze gegen Liverpool.

Jetzt, kurz vor der Meisterschaft, reagiert Zidane immer noch höchst säuerlich beim Thema Bale. "Er hat sich bei mir nicht beschwert, und damit war es das. Wir denken nur an unser Ziel, die Liga zu gewinnen", sagte er. Aber als die Reporter wegen der Protestaktionen des Walisers nachbohrten, platzte der Coach förmlich: "Verdammt, was soll das, immer wieder dieselbe Frage? Mir geht es um das Spiel gegen Villarreal und Gareth auch."

So mag Real daheim zwar vor einem weiteren großen Erfolg stehen, aber die Debatten werden sich wohl bis zur Champions League fortsetzen. Im August braucht es dann volle sportliche Konzentration: Im Achtelfinal-Rückspiel bei Manchester City gilt es, ein 1:2 aus dem Hinspiel umzubiegen. Gareth Bale dürfte auch wieder dabei sein - auf der Bank. Was er dann wohl wieder aufführen wird?

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