Süddeutsche Zeitung

RB Leipzig im Pokal gegen Dortmund:Vorboten einer Krise

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Nach drei Niederlagen in Serie muss Trainer Marco Rose zum ersten Mal in Leipzig eine schlechter werdende Stimmung moderieren. Vor dem Pokalspiel gegen Dortmund hofft er vor allem auf die Rückkehr des Kreativspielers Dani Olmo.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Die Apokalypse ist offenkundig ein komplexes Geschäft, sie hat ihre Propheten in großer Regelmäßigkeit enttäuscht. Was nicht heißt, dass die Zahl der Auguren kleiner würde; zurzeit suchen sie offenbar Leipzig heim. "Manchmal habe ich das Gefühl, wir sind kurz vorm Untergang der Welt ...", raunte RB Leipzigs Trainer Marco Rose, 46, am Vorabend des Pokalviertelfinalspiels gegen Borussia Dortmund - und spielte damit auf eine Reihe von Kommentaren an, die er in den vergangenen Tagen zu lesen bekam. Und die er offenkundig als überzeichnet empfand.

Die Lage, so viel ist gewiss, hat nichts mehr mit dem Ende der Hinrunde zu tun, in der Leipzig eine Serie von 18 Spielen ohne Niederlage aneinanderreihte. Im Gegenteil: Dass in der Messestadt Ansätze von Defätismus zu spüren sind, hat vor allem damit zu tun, dass Leipzig in den vergangenen Wochen anfing, Misserfolge aufeinanderzustapeln. Nach dem 0:7 bei Manchester City in der Champions League unterlagen die Leipziger mit 0:1 beim VfL Bochum, am Samstag musste Roses Mannschaft ein 0:3 gegen Mainz 05 verdauen. Leipzig wird in der Liga nur noch an Ranglistenplatz fünf geführt, hinter den Tabellenplätzen also, die zur Champions-League-Teilnahme qualifizieren. Doch wenn es nur das wäre.

In ihren Verästelungen erinnert die aktuelle Krise in verblüffender Weise an Tage, die Rose vor zwei Jahren in Mönchengladbach durchlebte: Dort hatte er nach einem Champions-League-Aus im Achtelfinale gegen Manchester City nicht nur zwei, sondern gleich sechs weitere Spiele verloren - darunter auch ein DFB-Pokalspiel gegen Borussia Dortmund. Und als wäre der Duplizität der Ereignisse damit nicht genug, war damals in Gladbach so wie aktuell in Leipzig der Manager Max Eberl Roses Chef.

Was das alles mit der Mannschaft mache? "Wir haben zu wenig Erfolgserlebnisse, entsprechend sind Stimmung und Atmosphäre", erklärte Rose. Nur: In "Depression" sei sie auch nicht verfallen: "Die Mannschaft ist kein aufgeschreckter Haufen, der nicht weiß, wo hinten und vorne ist." Allerdings sah die Mannschaft es offenbar auch als dienlich an, sich nach dem Mainz-Spiel ausnahmsweise ohne den Chef auszutauschen - in einer Sitzung, die Rose selbst öffentlich machte: Dass es Sitzungen ohne Trainer gebe, "ist, finde ich, etwas Normales".

Es wird dabei, so steht zu vermuten, auch um die Art und Weise gegangen sein, wie auf dem Platz agiert werden soll. Rose hatte schon nach dem Spiel gegen Mainz moniert, dass man sich wieder auf die sogenannten "Basics" besinnen müsse; am Dienstag wurde er präziser: Mainz habe ein ähnliches "Anlaufverhalten" gezeigt wie Pep Guardiolas Manchester City beim 7:0 in der Champions League - und den Spielaufbau der Leipziger Mannschaft durch aggressives Pressing erfolgreich blockiert. Leipzig habe "ständig den spielerischen Ansatz" gewählt, doch statt einer verkünstelten Spieleröffnung zu frönen, wäre es besser gewesen, den Weg zum gegnerischen Tor direkter zu gestalten.

Auch der BVB hat eine Enttäuschung zu verkraften, aber die war ungleich moderater

Rose räumte aber gleichzeitig ein, dass die Anwendung derartiger Stilmittel dem Leipziger Team schwerer fällt. "Zielspieler" vom Schlage des Mainzer Hünen Ludovic Ajorque, der Bälle vorn "festmachen" könne, habe man halt leider nicht zur Hand. Stürmer Yussuf Poulsen ist verletzt. Erschwerend kommt hinzu, dass Leipzig seit dem Duell mit Dortmund vom März (1:2) wegen Verletzungen auf den französischen Stürmer Christopher Nkunku und den Mittelfeldantreiber Xaver Schlager verzichten muss. "Das macht was mit der Mannschaft", räumte Rose am Dienstag ein.

Es führt dazu, dass Leipzig "nicht mit der breitesten Brust" ins Stadion fahren werde, sondern nur "mit einer breiten", wie Rose präzisierte. Im Mannschaftsbus wird, immerhin, der zuletzt ebenfalls malade Spanier Dani Olmo sitzen; sein Name klingt wie die Verheißung zuletzt so schmerzlich vermisster Kreativität. Dass Olmos Körper ausreichend Kraft für 90 oder gar 120 Minuten Pokalfight hat, gilt als unwahrscheinlich - was den Dortmundern in die Karten spielen dürfte. Die Borussia hatte am Wochenende auch einen Rückschlag zu verkraften - doch der war ungleich moderater. Der BVB verlor durch das 2:4 beim FC Bayern die Tabellenführung in der Liga, aber der Spielverlauf wurde maßgeblich vom Unfall des Torwarts Gregor Kobel geprägt; er hatte vor dem 0:1 ein Loch in die Luft getreten. Dortmunds Trainer Edin Terzic betonte am Dienstag, dass die Borussia "eine der formstärksten Mannschaften in der Bundesliga und vielleicht in Europa" geblieben sei. Das ist keine Garantie für nichts, klingt aber ungleich positiver als der Kampf Roses gegen den anschwellenden Krisengesang in Leipzig.

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