Süddeutsche Zeitung

RB Leipzig:Der Kurzstreckentrainer wird Langstreckenflieger

Lesezeit: 3 min

Von Moritz Kielbassa, München

Zehn Tage ließ sich Ralf Rangnick Zeit nach dem verlorenen Pokalfinale mit RB Leipzig, das sein vorerst letztes großes Spiel als Trainer war. Am Dienstag, 11 Uhr, verkündete der 60-Jährige dann das Ergebnis seiner inneren Klausur zu der Frage, wie es beruflich für ihn weitergehen solle. Rangnick, bisher in Leipzig Sportdirektor und zuletzt auch wieder Kurzstreckentrainer für eine Saison, wird nun zum Langstreckenflieger. Er gibt das Tagesgeschäft in Sachsen auf und übernimmt globale Chefaufgaben im Fußballnetzwerk von Red Bull. Neuer Sportdirektor in Leipzig wird, wie erwartet, der soeben mit dem SC Paderborn aufgestiegene Manager Markus Krösche, 38.

"Head of Sport & Development Soccer", so lautet Rangnicks neuer Dienstgrad. Es ist kein branchenüblicher Vorgang, auch die News-Kanäle wussten nicht so recht, wie sie die Schlagzeilen dazu gestalten sollten. Die Spannweite reichte von "Rangnick verlässt Leipzig" bis zu "Rangnick bleibt Leipzig treu, wechselt aber den Posten". Tatsächlich bedeutet das neue Amt als Außenminister der Bullen keinen radikalen Abschied aus Leipzig. Von Rangnicks Koordination der RB-Standorte in New York und Brasilien, wo auf Fußball des Hauses gepolte Talente reifen sollen, könne in Zukunft "auch Leipzig sehr profitieren", glaubt Geschäftsführer Oliver Mintzlaff. Rangnick bleibt auch als Berater mit dem Verein verbunden, die Stadt soll weiterhin sein Lebensmittelpunkt sein.

Aber ein bisschen Trennung ist es dann doch, wie Mintzlaff verdeutlichte: "Ich sehe das Ganze mehr mit einem weinenden Auge. Ich hätte Ralf gerne dauerhaft hier gehabt." Als Entscheidungsträger in Leipzig scheidet Rangnick aus, sein Gehalt zahlt künftig die Kostenstelle Fuschl am See. Er ist nun Angestellter des österreichischen Konzerns, ebenso wie sein bisheriger Leipziger Videoanalyst Lars Kornetka, den er ins neue Großressort mitnimmt; Chefscout Paul Mitchell könnte folgen.

In Leipzig führte Rangnick seit 2012 Regie, es waren sieben Jahre rasanten Wachstums, von Liga vier bis in die Champions League. Vor einem Jahr sprang der gebürtige Vollbluttrainer, wie bereits beim Erstliga-Aufstieg 2016, erneut in einer Doppelrolle als Coach ein, weil man den umschwärmten Hoffenheimer Julian Nagelsmann vorzeitig für 2019 verpflichtet hatte.

Daraus entstand ein Wohlfühljahr für Rangnick, mit Platz drei in der Liga und Pokalfinale. Doch unterwegs kam er zu der Erkenntnis, dass es jetzt Zeit sei für "eine neue, extrem reizvolle Aufgabe. Ich bin ein Typ, der klare Ziele braucht". Bereits im Weihnachtsurlaub kam ihm der Gedanke - "unter der Dusche", wie Rangnick präzisierte - dass er als internationaler Mastermind einen Mehrwert haben könnte.

Ein Novum: Leipzig vereinbart Kooperation mit Padeborn

Einfach weiter Sportchef in Leipzig - dann wären "Entwicklungsschritte nur noch im kleinen Prozentbereich möglich gewesen", glaubt er. Durch forcierte Förderung der Filialen in Süd- und Nordamerika hält er es dagegen für vorstellbar, dass Leipzig "zu internationalen Topklubs aufschließen könnte, die jetzt noch weit weg sind". Im vorigen Winter war erstmals ein Rookie aus New York nach Leipzig gewechselt. "Jedes Jahr einen Tyler Adams zu entwickeln, das ist unser Wunsch", fordert Rangnick nun von sich selbst.

Dem Vernehmen nach hielt er es zudem für keine ideale Konstellation, wenn er in Leipzig der täglich aufpassende Vorgesetzte von Nagelsmann geworden wäre, der wie er selbst im Sternzeichen Alphatier geboren ist. Rangnicks Büro am Leipziger Cottaweg bezieht deshalb nun Markus Krösche. In der Bundesliga war der lizensierte Fußballlehrer in Leverkusen knapp zwei Jahre lang Co-Trainer des ehemaligen RB-Salzburg-Coachs Roger Schmidt, als Manager hievte Krösche gerade den SC Paderborn, für den er einst 356 Pflichtspiele bestritt, mit einem Niedrigbudget von der dritten in die erste Liga. Krösche sei "auch der absolute Wunschkandidat von Ralf Rangnick" gewesen, betonte Mintzlaff.

Eine Überraschung war am Dienstag aber die Bekanntgabe, dass Markus Krösche bei seinem neuen Klub mit seinem alten Klub verpartnert sein wird. RB Leipzig und der SC Paderborn haben offiziell eine "langfristige sportliche Kooperation" vereinbart, unter anderem im Scouting-Bereich. Nähere Details dazu blieben vorerst offen, für die Bundesliga ist ein solches Bündnis ein Novum.

Visionär bleibt auch Rangnicks Denkweise. "Wir müssen in eine Art Vorreiterrolle kommen, bevor es andere Vereine tun", sagt er zu seiner neuen Aufgabe, Leipzig noch enger zu vernetzen mit New York und dem brasilianischen Zweitligisten CA Bragantino aus der Nähe von Sao Paulo, den der Konzern im Februar übernommen hat. Möglichst zeitnah will er Bragantino in die erste Liga bringen, "das wäre ja gelacht, wenn wir das mit unserem Know-how nicht schaffen". Bei RB New York will Rangnick die "fantastische Arbeit" fortsetzen. Ausdrücklich keine Zuständigkeit erhält er nur für den Bullenklub Salzburg, bei dem er von 2012 bis 2015 als Sportchef ebenfalls den Kurs vorgab - bis die Uefa als Bedingung für einen Europapokal-Start beider Klubs deren Entflechtung forderte.

Die beiden Übersee-Standorte betreute bisher vor allem Mintzlaff, der bis 2017 auch "Head of Global Soccer" bei RB war. Ihm hatte Rangnick schon vor Monaten seinen Wunsch nach Luftveränderung mitgeteilt. In groben Zügen verabredeten beide schon vor einiger Zeit dieses neue Organigramm.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4474663
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 05.06.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.