Süddeutsche Zeitung

Olympia in Tokio:Im Flieger mit dem Virus

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Wenn der Sitzplatz zur Lotterie wird: Immer mehr Sportler müssen nach der Ankunft in Japan in Quarantäne. Mit der Eröffnungsfeier dürfte sich die Lage im olympischen Dorf verschärfen.

Von Saskia Aleythe, Tokio

Die Angst ist gerade immer dabei. Bei den britischen Leichtathleten und Leichtathletinnen zum Beispiel, die froher Hoffnung nach Japan aufgebrochen waren. Im Trainingslager in Yokahama erreichte sie plötzlich eine Nachricht, vor der sich aktuell alle fürchten: Ein Passagier im selben Flieger war nach der Ankunft positiv auf Corona getestet worden, sechs britische Sportler wurden als Kontaktpersonen identifiziert und in Quarantäne geschickt. Olympisches Fliegen, das ist gerade wie Lotterie: Die einen schrammen am mitreisenden Virus vorbei, die anderen nicht. Das Schicksal entscheidet.

Bei manchen Sportlern breitet sich die Angst aus

"Ein bisschen Panik" sei unter ihnen ausgebrochen, berichtete 800-Meter-Läufer Daniel Rowden, die Gruppe der britischen Athleten umfasste ja noch viel mehr Olympia-Starter. Und dann breitete sich unter ihnen die Angst aus, selbst zu den engen Kontakten zu gehören. "In einen Raum eingesperrt zu sein und nicht trainieren zu können, nimmt dir Selbstvertrauen und Vorbereitung", sagte Rowden.

Nur noch Einzeltraining konnten die betroffenen Sechs schließlich absolvieren, in der Vorbereitung auf den wichtigsten Wettkampf der letzten fünf Jahre. "Da ist immer die Angst, dass du zufällig eine Nachricht bekommst", sagte auch Sprinter Richard Kilty. Olympia, das kann in diesen Zeiten schon vorbei sein, bevor die Flamme im Stadion überhaupt angekommen ist.

Bei den Briten scheint sich die Lage bisher immerhin nicht zu verschärfen: Keine der als Kontaktperson eingestuften Personen hat bisher Symptome gezeigt, alle wurden negativ getestet. Sie trainieren weiter allein in Distanz zu allen anderen, könnten mit weiteren negativen Tests aber in den kommenden Tagen zum Team zurückstoßen.

Während ihre Wettkämpfe erst Ende Juli starten, war die Lage bei Südafrikas Fußball-Team zuletzt brenzliger: Schon am Donnerstag rollt im Tokyo Stadium der Ball, Japan gegen Südafrika - und alle hoffen, dass nichts anderes mitrollt. Die zwei Südafrikaner Thabiso Monyane und Kamohelo Mahlatsi waren die ersten beiden Athleten, die im olympischen Dorf mit positiven Corona-Tests identifiziert wurden, genauso wie ein Betreuer.

Alle Japan-Einreisenden müssen vor dem Abflug zwei höchstens 96 Stunden alte negative Tests vorzeigen, am Flughafen in Tokio wird eine dritte Probe abgegeben. "Alle Mitglieder der Fußballmannschaft haben diese Protokolle befolgt", sagte Mannschaftsarzt Phatho Zondi. Die Infektionen wurden schließlich bei den Routine-Kontrollen innerhalb der ersten drei Tage entdeckt, heißt es in einer Pressemitteilung weiter.

"Der Zeitpunkt der positiven Ergebnisse deutet darauf hin, dass der PCR-Test bei diesen Personen während der Inkubationszeit der Infektion durchgeführt wurde, sodass sie in Südafrika negativ und dann in Japan positiv waren." Ihnen bleibt nun nichts anderes übrig, als im Zimmer zu verharren, während ihre Kollegen ins Turnier starten. Immerhin: Die Teammitglieder mussten ja auch erst in Quarantäne, 21 Spieler, sie wurden schließlich nach Gesundheitschecks nicht als erhöhter Risikofaktor eingestuft.

Südafrika hat aufgrund der sich schnell ausbreitenden Mutante mit enorm hohen Corona-Zahlen zu kämpfen, zuletzt kamen über 11 000 Fälle am Tag dazu. Das Rugby-Team musste nach der Ankunft im Trainingslager in Kagoshima komplett in Quarantäne, nachdem eine Person im Flieger positiv getestet worden war.

Trainer Neil Powell hatte sich schließlich als einziger nachweislich angesteckt, er will jetzt als virtueller Coach aus seiner abgeschotteten Unterkunft dabei sein. "Wir sind alle noch gut gelaunt und verstehen, dass wir die Dinge, die wir nicht kontrollieren können, nicht ändern können", sagte Powell und wollte sich nicht weiter in die Karten gucken lassen, die Corona-Maßnahmen hätten nur für "eine kleine Ablenkung" gesorgt.

Schon jetzt ist klar, dass sich die Fälle täglich mehren - und je näher die Eröffnungsfeier rückt, desto akuter wird die Lage auch im olympischen Dorf. Wer nun anreist und frühe Wettkämpfe bestreitet, ist - mit allem Testprozedere - sofort unter den anderen Athleten. Wenn am Wochenende die Beachvolleyballer in ihre Wettbewerbe starten, ist noch offen, ob auch Barbora Hermannova and Marketa Slukova antreten können.

Ihr Trainer Simon Nausch wurde am Mittwoch positiv getestet, nachdem zuvor der Spieler Ondrej Perusic schon mit einer Infektion aufgefallen war. Und dann bleibt schon hängen, was Nausch resigniert zu Protokoll gab: "Wir haben nach dem ersten Fall versucht, extrem vorsichtig zu sein. Leider hat das nicht funktioniert."

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