Süddeutsche Zeitung

Shorttrack bei Olympia:Südkorea will den Chef sprechen

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Drei knappe Entscheidungen im Shorttrack - dreimal urteilt die Jury pro China. Die Konkurrenz fragt sich: Hätte eine andere Mannschaft auch auf diese Weise das Finale erreichen dürfen?

Von Thomas Hahn, Tokio

Die Ohnmacht ist das Schlimmste. Und die Ohnmacht war es wohl auch, die Yoon Hong-geun so sauer machte nach dem 1000-Meter-Wettbewerb der Shorttracker bei den Winterspielen in Peking. Yoon ist der Chef de Mission des südkoreanischen Teams. Dass nicht alles klappen kann bei einem Weltsportfest und Niederlagen ins Programm jedes normalen Teams gehören, weiß er natürlich. Es gehört schließlich zu seinen Aufgaben, nicht nur die Erfolgreichen zu feiern, sondern auch die Gescheiterten zu trösten.

Aber Yoon Hong-geun war ja auch gar nicht wegen einer Niederlage sauer. Sondern eindeutig wegen dieser Ohnmacht, der er seine Shorttracker in besagtem 1000-Meter-Wettbewerb ausgesetzt sah. Genauer gesagt den Weltrekordler Hwang Dae-heon und seinen Mannschaftskollegen Lee June-seo, die im Halbfinale wegen unlauterer Bahnwechsel disqualifiziert worden waren - zu Gunsten zweier Chinesen. Und dieser Umstand gab dem Ärger des Funktionärs im Land des großen Olympiagastgebers eine besondere Note.

Nach den ersten Shorttrack-Wettbewerben wundern sich nämlich viele über die Leistungen der Jury. China hat unter dieser schon hinreißende Comeback-Erfolge gefeiert. Im Mixed am Samstag gewann die Heimmannschaft Gold, nachdem sie im Halbfinale als Dritte eigentlich schon ausgeschieden war. Eine Disqualifikation von Team USA änderte die Lage, anschließend fragte sich Südkoreas Routinier Kwak Yoon-gy, "ob eine andere Mannschaft auch so das Finale hätte erreichen dürfen".

"Im Sport muss Fairplay garantiert sein", mahnt Südkoreas Chef de Mission

Und am Montag schienen gleich mehrere nachträgliche Schiedsrichterentscheidungen nötig zu sein, bis das gewünschte Ergebnis feststand. Die Bestrafung der beiden mitfavorisierten Südkoreaner brachte erst mal die Heimspieler Li Wenlong und Wu Dajing ins Finale und damit insgesamt drei Chinesen. Und das Fotofinish im Endlauf wurde nach langer Beratung auch per Richterentscheid im chinesischen Sinne aufgelöst. Der Ungar Shaolin Sandor Liu wurde wegen eines regelwidrigen Kontakts in einer früheren Szene aus der Wertung genommen. Gold bekam Ren Ziwei, China, Silber Li Wenlong, China. Eine runde Sache. Zumindest für China.

Aber eben nicht für Südkoreas Chef de Mission. "Im Sport muss Fairplay garantiert sein", sagte Yoon Hong-geun am Dienstag auf einer Pressekonferenz und erklärte, er werde das komplette Besteck des zivilisierten Sportwiderstandes bemühen. Protestnoten an die Shorttrack-Gremien, Beschwerdebriefe an Internationale Eislauf-Union (ISU) und Internationales Olympisches Komitee (IOC). Sogar eine Berufung beim Sportgerichtshof Cas sei geplant. Außerdem wolle Yoon den Chef sprechen, IOC-Präsident Thomas Bach.

Die ISU schmetterte den Protest ab. Der IOC-Präsident konnte nicht gleich Zeit haben in dieser komplizierten Fachangelegenheit. Und Yoon Hong-geun passte auf, dass er nicht zu weit ging. Parteiisches Shorttracken für das Reich der Mitte? "Ich glaube, es steht mir nicht zu, einen Kommentar zu China abzugeben", sagte er. Das Verhältnis zum riesigen Nachbarn ist für Südkoreaner immer zwiespältig. Und am Ende musste auch Yoon Hong-geun die Tücke der Ohnmacht anerkennen: Man kann so viel schimpfen, wie man will - es hilft alles nichts.

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