Süddeutsche Zeitung

Olympia kontra Fußball-WM:Rebellion des Wintersports

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Die olympischen Wintersportverbände opponieren gegen die Planspiele des Fußballs, seine Backofen-WM am Persischen Golf in die ersten Wintermonate des Jahres 2022 zu verlegen. Sie fürchten Aufmerksamkeitseinbußen. Die Situation ist so bizarr, dass nun auch die Münchner Olympia-Bewerber ins Grübeln kommen könnten.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Man stelle sich vor, es sind Olympische Spiele 2022, beispielsweise in München - und keiner schaut hin. Und warum? Weil alle Fußball-WM gucken. Nein, die Vorstellung passt den olympischen Wintersportverbänden überhaupt nicht, weshalb sie nun bereits den Anfängen wehren wollen.

Es kann ja wirklich gut sein, dass die immer hemmungsloseren Fußballfunktionäre ihre Problem-WM in Katar in den Winter verschieben. Und dann würde dieses Turnier, den Gesetzen des freien Marktes (vulgo: Recht des Stärkeren) folgend, die Aufmerksamkeit des globalen Sportpublikums, der Fernsehanstalten sowie natürlich der Großsponsoren weitestgehend absorbieren.

Also opponiert der Wintersport lieber schon jetzt gegen die Planspiele des Fußballs, seine Backofen-WM am Golf in die ersten Wintermonate des Jahres 2022 zu verlegen. Der Ski-Weltverband Fis regt eine Resolution aller Winter-Föderationen an, um eine Fußball-WM im Winter zu verhindern; der Biathlon-Weltverband IBU unterstützt den Vorschlag offiziell. Mehr werden hinzustoßen, die sieben Weltverbände beraten bis Mittwoch turnusmäßig in Lausanne.

Die frühe Rebellion dürfte auch dem Kalkül geschuldet sein, dass die Zeichen generell recht ungünstig stehen für Katar. Die ganze Sportwelt raunt heute über jene merkwürdige Wahl, die Ende 2010 der (aus Korruptionsgründen auf 22 Köpfe dezimierte) Fifa-Vorstand traf: Fast zwei Drittel der Funktionäre stimmten für den Wüstensprengel.

Weil nicht auszuschließen ist, dass das Erdrutsch-Votum des Fußball-Weltverbandes so zustande kam, wie es den Anschein haben könnte, spürt die Fifa-Ethikkommission den Umständen dieser Vergabe nach. Parallel dazu machen humanitäre und Gewerkschafts-Organisationen Druck auf Katar wegen der prekären Arbeitsbedingungen an den Baustellen im Lande.

Nun greift der Olympiasport das Vielfach- und Dauer-Ärgernis Katar an. Es erscheint ja nicht mal als gesichert, dass die Fußball-WM wirklich dort stattfindet; warum sonst ermitteln die Ethiker der Fifa? Und was, wenn andere Instanzen, die ebenfalls jener WM-Vergabe nachspüren, fündig werden sollten?

Das ist die Situation. Sie ist so bizarr, dass sie auch die Münchner Olympia-Bewerber ins Grübeln bringen könnte - womöglich gar ins Wanken? Wenn schon der Wintersport befürchtet, dass der mächtige Fußball von seinen WM-Plänen kaum abzubringen ist, dann sind explizit diese Winterspiele 2022 mit ganz besonderer Vorsicht zu taxieren.

Im Schatten einer Fußball-WM, die kurz zuvor wochenlang TV-Programme und Freizeitgestaltung rund um den Planeten diktiert hat, drohen einem Ski- und Rodel-Event unweigerlich markante finanzielle Einbußen. Abgesehen von gewissen Ermüdungserscheinungen beim Sportpublikum; sogar beim deutschen.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2013
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