Süddeutsche Zeitung

Novak Djokovic:"Das ist Voodoo"

Lesezeit: 4 min

Novak Djokovic ist an einer Biotech-Firma beteiligt, die an einer Therapie gegen das Coronavirus arbeitet. Doch Experten sind ziemlich skeptisch.

Von Elisabeth Dostert und Gerald Kleffmann, Melbourne/München

Es ist nicht so, als gebe es keine positiven Nachrichten über die Australian Open. Billie Jean King lobte den Tennisprofi Liam Broady, der in der ersten Runde verlor, dafür, dass er Schnürsenkel in Regenbogenfarbe trug. Der 28-jährige Brite wollte sich mit der LGBTQ-Szene solidarisch zeigen. Die Australierin Samantha Stosur stand mit 37 Jahren letztmals auf der Bühne, nach fast unglaublichen 23 Jahren beendet sie ihre Karriere. Im Anschluss an ihre 2:6, 2:6-Niederlage gegen die Russin Anastasia Pawljutschenkowa erhielt sie Blumen, die Zuschauer standen minutenlang und applaudierten.

Solche Nettigkeiten gehen zurzeit oft unter, denn nahezu täglich tauchen weiterhin neue Aspekte und Fragen zu jenen zwei schweren Themen auf, die diese sonderbaren Australian Open 2022 bislang überlagern: die Pandemie sowie der Fall Novak Djokovic, der nach der Abschiebung des Weltranglisten-Ersten nachwirkt.

Am Mittwochabend in Melbourne gab Alexander Zverev eine bemerkenswerte Pressekonferenz nach seinem Zweitrundensieg, nicht nur, weil er so gut gelaunt war, sondern weil er auch auf kuriose Sicherheitsmaßnahmen beim Turnier bezüglich des tückischen Coronavirus verwies. Die sind offenbar nicht so sicher wie gedacht. "Wir werden nicht getestet", hat Zverev offenbart und gemutmaßt: "Wenn wir getestet würden, gäbe es wahrscheinlich mehr Positive als jetzt." Er gehe davon aus, dass "bestimmt einige" Spieler schon infiziert seien. Wie schnell das Virus von einer Person zur anderen übertragen wird, hatte Zverev bei seinem Bruder mitbekommen. Mischa, 34, auch sein Manager, war beim ATP Cup kürzlich in Sydney positiv getestet worden.

Als Arthur Rinderknech zurückzog, hieß es sofort: positiv! Dabei ist er nur an der Hand verletzt

Bei den Australian Open, diese Politik verfolgen sie wirklich inmitten einer Pandemie, obliegt das Testen den Profis selbst. Manche testen sich jeden Tag wie Stosur, andere jeden zweiten Tag wie die Spanierin Garbiñe Muguruza, die nun der Französin Alizé Cornet unterlag. In der Qualifikation hatte der Australier Bernard Tomic für Aussehen gesorgt, als er beim Seitenwechsel krakeelt hatte, es müsse getestet werden, er fühle sich schlecht. Drei Tage später hatte er den Beleg: positiv. Auch den Franzosen Ugo Humbert erwischte es mittlerweile. Die Stimmung ist so angespannt, dass sofort Gerüchte zum mutmaßlich nächsten Positivbefund im Umlauf waren, als bekannt wurde, der Franzose Arthur Rinderknech steige aus dem Turnier aus. Er war nur an der Hand verletzt.

Craig Tiley, Turnierdirektor und Chef des Verbandes Tennis Australia, der dem Fall Djokovic erst durch die Ausstellung der Medical Exemption an den 34-Jährigen den Weg bereitet hatte, sah sich nun genötigt, doch aus der Deckung zu kommen. Gekonnt wie immer wich er im Fernsehen bei Channel 9 den heiklen Fragen des Reporters aus. Kurz versicherte er, Berichte, wonach Tennis Australia Djokovics Anwaltskosten und Teile der Anreise bezahlt habe, seien "nicht wahr". Er trete nicht zurück. Zum Testprozedere, das auf Freiwilligkeit basiert? "Es funktionierte bisher hervorragend." Die Profis könnten jeden Tag Testkits erhalten. Das war's.

Unterdessen veröffentlichte das Bundesgericht die ausführliche Urteilsbegründung zum Visumentzug Djokovics. Im Kern führte es die Entscheidung, wie im Verfahren, auf sein Verhalten zurück, die Impfung zu verweigern. Als weltbekannter Sportler stelle er daher ein Risiko für die öffentliche Ordnung dar. Man fürchtete ein Aufflammen der "Anti-Vax-Bewegung". Und just in dieser Nachrichtenlage tauchte auch noch eine ungewöhnliche Information auf: Djokovic ist mit seiner Frau Jelena mehrheitlich an einer Biotech-Firma in Dänemark beteiligt, die Behandlungsformen gegen das Coronavirus entwickeln will. In dieser Geschichte ist nichts unkompliziert.

Einer der wichtigsten Sponsoren Djokovics bittet diesen um ein Gespräch

Viele Details gibt es nicht über die Firma Quantbiores. Gegründet wurde sie im Sommer 2020 in Dänemark. Als Eigentümer werden Anthony Charles Slingsby mit 20 Prozent genannt und das Ehepaar Djokovic; er hält seit Sommer 2020 den Angaben zufolge 40,8 Prozent der Firmenanteile, seine Frau 39,2 Prozent. Novak Djokovic sitzt demnach auch im Vorstand der Firma. Auf der Homepage von Quantbiores ist darüber nichts zu erfahren. Eine Anfrage der SZ an die offizielle Email-Adresse kommt als nicht-zustellbar zurück.

Das Unternehmen arbeite an einer Therapie gegen das Coronavirus, sagte Vorstandschef Ivan Loncarevic der Nachrichtenagentur Reuters. Klinische Studien sollen ihm zufolge im Sommer in Großbritannien beginnen. Loncarevic ist auch Co-Autor eines auf der Homepage veröffentlichten Aufsatzes, in dem die Technologie der Firma erklärt wird. Quantbiores habe ein biophysikalisches Modell entwickelt. Es geht nicht um einen Impfstoff. Mit Hilfe dieses Resonant Recognition Model (RRM) habe man nachgewiesen, dass das Coronavirus über ein bestimmtes Protein auf deren Oberfläche in rote Blutkörperchen gelangt, wo es dann die Sauerstoffversorgung beeinträchtige. Das Protein wird dabei anhand von elektromagnetischen Schwingungen identifiziert. Diesen Mechanismus wolle Quantbiores mit einem Peptid, das sind Verbindungen aus Aminosäuren, lahmlegen.

Experten halten diesen Ansatz der Medikamentenentwicklung zumindest für ungewöhnlich. "Ich würde diese Publikation im Reich der Phantasie besser verankert sehen", sagt einer und wird noch deutlicher: "Das ist Voodoo." Namentlich will sich der Wissenschaftler nicht zitieren lassen. Ein anderer hat sich für die SZ auch die Internetseite von Quantbiores angesehen: "Zur Frage, um welches Peptid es sich handelt, und zur Machbarkeit gibt es keine Angaben", sagte er. Auch er wollte anonym bleiben.

Warum jetzt Djokovics Geschäftsengagement in diesem Bereich publik wurde? Und was ihn zu diesem Einstieg überhaupt bewogen hat? Darüber lässt sich nur spekulieren. Klar ist, dass er um sein Image kämpfen dürfte. Viele Fragen bleiben weiter offen in seinem Fall. Etwa auch dazu, ob Djokovic wirklich, wie berichtet wurde, angeblich die australische Regierung auf eine Millionensumme wegen "schlechter Behandlung" verklagen wolle. Da passt es ins Bild, dass auch einer der wichtigsten Sponsoren von Djokovic um ein Gespräch bat. Lacoste würde sich gerne mit dem Tennisprofi über alles mal austauschen.

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