Süddeutsche Zeitung

Serie der Knicks in der NBA:New York zuckt vor Begeisterung

Lesezeit: 3 min

Seit Jahren dümpeln die NY Knicks durch die NBA, doch plötzlich sind sie die coolste Nummer der Liga. Mit Isaiah Hartenstein erlebt auch ein Deutscher gerade, wie der Basketball-Mythos New Yorks neu belebt wird.

Von Jonas Beckenkamp

Das ist dann wohl das, was man in Amerika einen "Blowout" nennt. Die Golden State Warriors hätten sich den Trip nach New York glatt sparen können, sie wurden diesmal im Madison Square Garden schlicht vom Parkett gejagt. 94:132 hieß es aus ihrer Sicht gegen die heimischen Knicks - ein Ergebnis wie ein 1:6 und 0:6 im Tennis. Dabei geht es in der NBA bekanntlich um Basketball und nicht um gelbe Filzkugeln.

In anderen Zeiten nannten sie die Halle der Knicks voller Ehrfurcht "Mekka des Basketballs", weil das Spiel hier im Big Apple eine frühzeitliche Prägung erfuhr, weil die New Yorker den Sport von den Streetball-Plätzen der Stadt bis nach Manhattan mit derselben Hingabe leben. Basketball als Maloche, wie damals in den Siebzigern mit Walt Frazier oder später mit Patrick Ewing und eisernen Typen wie Charles Oakley und John Starks, von dieser Erzählung zehren sie noch heute. Dabei ist längst einiges anders - zum Beispiel die Punkteausbeute.

132 Punkte in einer Partie, der erste Heimsieg gegen Serienmeister Golden State seit 2013. Auch wenn die Warriors ohne Stephen Curry und andere Größen angetreten waren, klang das eher nach "Showtime" der Marke LA Lakers denn nach Schufterei. Und tatsächlich: Gerade erleben die Knicks einen Aufschwung, der selbst die zynischsten New Yorker vor Begeisterung zucken lässt. Mit mittlerweile acht Erfolgen hintereinander ist die Mannschaft von Trainer Tom Thibodeau die angesagteste Nummer der Liga.

Die Knicks haben jetzt achtmal hintereinander gewonnen in der NBA

Und schon sind die zahlreichen Pleiten zum Saisonstart, das Gegrummel um die Personalrochaden des Coaches und die Gleichgültigkeit über jahrelanges Mittelmaß in den 2010er-Jahren vergessen. Der Knicks-Motor läuft, die Playoffs sind in Sicht, das gab es in den vergangenen neun Spielzeiten nur ein einziges Mal. Doch wenn es nach dem wieseligen Antreiber Jalen Brunson geht, ist Understatement angesagt.

"Niemand redet hier von unserem Lauf", sagte er, "aber klar: Wir sagen uns schon, dass wir so weitermachen sollen." Weitermachen, das Motto der Unermüdlichkeit passt nach New York, wo die Fans vor allem mit sportlichem Eifer und Basketball aus dem Fundamentalbaukasten zu kriegen sind. Das Konzept des Defensiv-Gurus Thibodeau haben Spieler wie Brunson, Center Mitchell Robinson, Julius Randle oder R. J. Barrett nun verinnerlicht - und ein Baustein ist auch Isaiah Hartenstein, 24, ein baumlanger Kerl mit Wurzeln in Quakenbrück.

Der Deutsche, in Oregon geboren und nach seiner Kindheit in Eugene in der Prärie Niedersachsens großgeworden, zählt zu den Rollenspielern im System der Knickerbockers. Sein Part besteht darin, unter dem Ring aufzuräumen, Rebounds zu fischen und in der Verteidigung Eindringlinge aufzuhalten. Sechs Punkte und sieben Rebounds erwirtschaftet er im Schnitt mit seiner teamdienlichen Spielweise - keine Glitzerwerte, aber solides Handwerk.

Trainer Thibodeau erklärte zuletzt, wie sehr er den Center als Defensivanker für seine "Arbeit an den Brettern" schätzt. Tatsächlich gilt Hartenstein als einer der fähigsten Offensivrebounder der NBA - seine 2,13 Meter Körpergröße wirft er nicht nur bei Fehlwürfen des Gegners ins Getümmel, sondern mit Wonne auch bei Abprallern des eigenen Teams.

Eine Fähigkeit ist ihm nach seiner Ankunft von den LA Clippers zu Saisonbeginn aber etwas abhanden gekommen: Da Hartenstein in seiner Jugend viel mit dem Ball in der Hand auf dem Flügel spielte, kann er durchaus präzise Pässe spielen. In New York bilden andere die Kreativzentrale, Hartenstein soll eher den klassischen Brecher in der Mitte geben, wenn er von der Bank aufs Feld kommt. Eine Umstellung für ihn. "Daran muss ich mich erst gewöhnen", erklärte er kürzlich, "ist alles ein wenig anders als meine Spielweise der letzten Jahre." Mehr Blocks stellen, weniger Dribbeln, "aber am Ende mache ich das, was uns als Team hilft".

Hartensteins Vertrag garantiert ihm stattliche 16 Millionen Dollar über die kommenden zwei Jahre, damit trifft er in New York auf eine gewisse Erwartungshaltung. In seinem sechsten NBA-Jahr will er endlich länger bei einem Klub bleiben und nicht wieder kurzfristig verschifft werden, wie bereits mehrfach geschehen. Dass er wegen einer Achillessehnenverletzung im Herbst nur zu "80 Prozent" fit war, wie er sagte, erschwerte den Prozess der Eingliederung bei den Knicks zusätzlich. So halten sich Gerüchte über einen erneuten Wechsel Hartensteins, weil im Kader mehrere Spielertypen wie er um Einsatzzeit ringen.

"Wir haben mehrere Leute, die jederzeit ein Monsterspiel abreißen können", erzählte Kollege Brunson nach der Abreibung für die Warriors: "Für mich ist das nicht überraschend, wenn bei uns immer wieder ein anderer in die Bresche springt." Die Ausgeglichenheit und das gemeinsame Commitment fürs Dagegenhalten in der Verteidigung macht die Knicks gefährlich. Ihre Serie basiert auf den Beiträgen vieler Protagonisten, jeder in seiner eigenen Disziplin. Auch Isaiah Hartenstein gibt dem Team etwas - und eigentlich passt es ganz gut, dass er in der Stadt der Schwerstarbeiter gerade das Siegen kennenlernt. Und den Mythos des Basketballs made in New York.

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