Süddeutsche Zeitung

Lakers in den NBA-Finals:Mit LeBron ist die "Showtime" zurück

Lesezeit: 3 min

Obama schaut zu, Nowitzki auch: In Spiel eins der Finalserie dominiert LA dank einiger Kniffe gegen Miami - die Heat werden mit schweren Verlusten beinahe aus der Halle geprügelt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt am legendären Flipperautomaten Addams Family den Moment, in dem jeder weiß: Jetzt geht es rund! Blitz und Donner bringen das Gerät zum Wackeln, es macht: "Pch, Pchpch, Pchchchchc." Dann ertönt eine Sirene, sie bearbeitet das Trommelfell erst dumpf und wird dann unerträglich hoch - am Ende, da brüllt jemand: "Showtime!" Es kann keine bessere Zusammenfassung geben als diese 24 Sekunden für das, was bei der ersten Partie der NBA Finals passiert ist: Die Los Angeles Lakers haben Miami Heat nicht nur besiegt, sondern mit 116:98 aus der Halle geprügelt und bisweilen an die Showtime-Lakers der 1980er Jahre erinnert.

Vor Beginn der Best-of-seven-Serie war darüber debattiert worden, inwieweit Außenseiter Miami davon würde profitieren könne, dass Lakers-Anführer LeBron James vier Jahre lang dort gespielt (und zwei Titel gewonnen) hat und deshalb Heat-Trainer Erik Spoelstra (der bereits 25 Jahre dort arbeitet und sich vom Videoscout zum Cheftrainer hochgedient hat) bestens bekannt ist. Welche Strategie würde der ausgebuffte Taktikfuchs wählen, um James und Kollege Anthony Davis einigermaßen in den Griff zu kriegen?

Nun, er probierte es mit einer komplizierten, effektiven, aber auch hochgradig riskanten Variante, und in den ersten Minuten der Partie sah es so aus, als könne das tatsächlich funktionieren. Miamis Protagonist Jimmy Butler nahm James in Einzelbewachung, bei einem Wechsel der Deckung - etwa bei einem Pick-and-Roll - und der deshalb entstehenden Isolation für James kamen sofort zwei Bewacher zu ihm, die anderen drei Heat-Spieler auf dem Parkett stellten die kurzen Passwege zu.

Es ist kompliziert, weil alle Verteidiger synchron agieren müssen. Es ist effizient, weil der Ballführende bedrängt wird und einfache Pässe verhindert werden. Es funktionierte prächtig, die prominenten Zuschauer auf den Videoleinwänden neben dem Spielfeld, Barack Obama zum Beispiel, Dirk Nowitzki und Lakers-Legende Pau Gasol im Kobe-Bryant-Shirt, sahen, wie Miami schnell mit 25:12 führte.

Die Taktik ist indes riskant, weil ein Spieler des Gegners völlig ungedeckt gelassen wird. Wird der angespielt, hat er sehr häufig einen völlig freien Drei-Punkte-Wurf. Es machte also erst "Pch" (Drei-Punkte-Wurf von Kentavious Caldwell-Pope), dann "Pchpch" (Drei-Punkte-Wurf von Alex Caruso zum Ende des ersten Viertels und dann zum Start des nächsten ein Dreier von Kyle Kuzma) und dann "Pchchchchc" (Dreier von Rajon Rondo). Es stand, ohne Punkte von James, plötzlich 37:32 für Los Angeles, und nach der langsam ansteigenden Sirene (einfache eigene Punkte ohne Zähler des Gegners) kulminierte alles kurz vor der Halbzeit in "Showtime": Davis knallte ein Zuspiel von Caruso krachend in den Korb, es stand 65:48 für die Lakers.

Am Flipperautomaten bekommt man im Showtime-Moment drei Kugeln gleichzeitig, und es muss sich für Heat genauso angefühlt haben: James schaffte trotz zeitweiliger Doppelbewachung (Spoelstra gab sie in der zweiten Halbzeit auf) mit 25 Punkten, 13 Rebounds und neun Zuspielen fast ein Triple Double, Davis gelangen 34 Punkte, und die anderen Lakers-Spieler schafften gemeinsam elf erfolgreiche Drei-Punkte-Würfe. Es war Showtime, vor allem war es eine Demonstration der Stärke durch die Lakers und eine Botschaft an Spoelstra, dass der noch viel tiefer in seine Trickkiste wird greifen müssen, um diese Serie überhaupt spannend werden zu lassen.

Das dürfte nicht einfach werden, denn mindestens so schlimm wie die Niederlage dürfte Miami schmerzen, was schon während der Partie aus den Katakomben zu vernehmen war: Butler verdrehte sich den Knöchel, er spielte zwar bis zum Ende, humpelte jedoch sichtbar. Center Bam Adebayo (Schulter) und Scharfschütze Goran Dragic (Knöchel) konnten die Partie nicht beenden, aus dem Umfeld der Mannschaft war zu hören, dass über Einsätze der beiden in der nächsten Partie am Freitag erst später entschieden werden könne.

Das sind keine guten Nachrichten für Miami, zumal sich die meisten Beobachter schon vor Beginn der Serie einig waren, dass dort so ziemlich alles grandios (und bei den Lakers ein bisschen was schief) laufen muss, damit sie überhaupt eine Chance haben. Heat hatte sich als Nummer fünf der Setzliste der Eastern Conference gegen alle Wahrscheinlichkeiten für die Finalserie qualifiziert, auch wegen günstiger Matchups (können die eigenen Akteure möglichst viele Gegner neutralisieren und gleichzeitig dem Kontrahenten Kopfzerbrechen bereiten), grandiosen Leistungen (der Block von Adebayo im ersten Spiel der Halbfinalserie) und Überraschungen (Liga-Neuling Tyler Herro mit 37 Punkten im vierten Halbfinal-Spiel) - und natürlich taktischen Schachzügen von Spoelstra.

Der dürfte sich nun in den Videokeller im Hotel der Bubble im US-Bundesstaat Florida zurückziehen und all die Momente studieren, die von "Pch, Pchpch, Pchchchchc" zu trommelfell-betäubender Sirene und zu "Showtime!" geführt haben. Das dürfte schmerzhaft werden, doch ist Spoelstra bekannt dafür, an Flipperautomaten und auf Basketball-Spielfeldern rote Fäden zu erkennen, selbst wenn es ordentlich durcheinandergeht - und er ist, das hat er in dieser Saison bewiesen, ein Meister in der Kunst, beim Gegner die Steckdose zu ziehen. Und dann macht es: "Biiiiiöööööööööööö".

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