Süddeutsche Zeitung

NBA-Finals:Er greift nach dem Titel, der ihm noch fehlt

Lesezeit: 3 min

Die Golden State Warriors gewinnen Spiel vier und gleichen die NBA-Finalserie gegen Boston aus. Stephen Curry spielt überragend - und das mit einer Verletzung.

Von Jonas Wengert

Fassungslos streckte Stephen Curry die Arme zur Seite und beschwerte sich lautstark bei den Schiedsrichtern. Von seinen Lippen war deutlich das Wort "Foul" abzulesen. Currys Ausbruch ereignete sich gegen Ende des dritten Viertels, der Aufbauspieler der Golden State Warriors hatte die Partie gegen die Boston Celtics gerade zum 73:73 ausgeglichen. Während sein Dreipunktwurf im Korb versank, landete Curry selbst unsanft auf dem Boden. Sein Gegenspieler hatte ihn beim Wurfversuch in den Rücken gestoßen und so dazu veranlasst, vehement einen Bonusfreiwurf zu fordern. Ein Pfiff der Unparteiischen blieb aus.

Es war einer der wenigen Frustmomente für Curry in diesem vierten Spiel der NBA-Finalserie. Dass er den Ball trotz Körperkontakt versenkte, sagt viel aus über die Qualität des Scharfschützen. Mit 43 Punkten war Curry einmal mehr der überragende Akteur seines Teams, das die Partie in Boston letztendlich 107:97 für sich entschied.

Das Endergebnis klingt deutlicher, als es der Spielverlauf über weite Strecken war; allein elfmal wechselte die Führung. Erst auf der Zielgeraden setzten sich die Golden State Warriors ab. Das lag einerseits daran, dass den Celtics gegen Ende ihr offensives Konzept abhanden kam. Mit der Brechstange forcierte das Team um Jayson Tatum häufig schwierige Dreierversuche und brachte so in den letzten gut sechs Minuten gerade einmal magere drei Pünktchen auf die Anzeigetafel. Ach ja, und dann war da natürlich noch Curry.

Bostons Verteidigung kann sich voll auf Curry stürzen - aber stoppen kann sie ihn nicht

Die abermalige Dominanz des inzwischen 34-Jährigen ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen spielte Curry mit einer Verletzung. Beim Sieg der Celtics vor zwei Tagen waren er und Bostons Center Al Horford kurz vor Ende nach dem Ball gehechtet, dabei rollte Horfords Körper über Currys linkes Bein. Der Warriors-Star schrie vor Schmerz auf und hinkte nach Spielende erkennbar. Groß war die Sorge in San Francisco, schließlich hatte Curry wegen einer ganz ähnlichen Szene Mitte März - ebenfalls gegen die Celtics - die letzten zwölf Partien der regulären Saison verpasst. Gut zehn Stunden Schlaf und mehrere Gänge in die Eistonne - so beschrieb Curry die Behandlung in der kurzen Pause zwischen Spiel drei und vier. Die Finals sind eben die Finals.

Der andere Grund zum Staunen war die Bostoner Verteidigung, der sich Curry gegenüber sah - die ist in dieser Saison für Angreifer so unangenehm, wie kaum eine andere in der NBA. Marcus Smart wurde gar zum besten Verteidiger der gesamten Liga gewählt. Man könnte annehmen, dass sich die Ringbeschützer und Flügelkletten im Aufeinandertreffen mit Golden State voll auf Curry stürzen würden. Schließlich sucht dessen einer Co-Star Klay Thompson nach wie vor seine frühere Form und der andere Co-Star Draymond Green (offensiv ohnehin kaum ein Faktor) muss sich hauptsächlich sorgen, nicht zu viele Foulpfiffe anzusammeln. Tatsächlich klebten Smart und Co. spätestens ab der Mittellinie an Currys Fersen, doppelten ihn häufig mit zwei Verteidigern. Doch der Dreierspezialist bewegte sich abseits des Balles derart flink und clever, dass er immer wieder zu guten Abschlüssen kam und Boston mehr oder weniger im Alleingang erledigte.

Die Celtics, bei denen Daniel Theis erneut die komplette Partie auf der Bank verbrachte, verpassten so die Chance auf eine 3:1-Führung und eine Vorentscheidung in der Best-of-Seven-Serie. Mit je zwei Siegen und zwei Niederlagen im Gepäck geht es für beide Mannschaften nun in der Nacht auf Dienstag in San Francisco darum, sich den ersten Matchball zu sichern.

NBA-Champion, bester Spieler der Saison, Weltmeister - aber ein Titel fehlt in Currys Sammlung

"Ich habe immer noch das Gefühl, dass wir ein bisschen besser spielen könnten", sagte Curry nach dem Spiel. Ihm winkt der vierte NBA-Titel seiner Karriere. Curry wurde zweimal als bester Spieler der regulären Saison (MVP) ausgezeichnet, er hat an acht All-Star-Games teilgenommen, zweimal den Wettbewerb der besten Dreierschützen gewonnen und ist zweifacher Weltmeister mit den USA. Aber eine Auszeichnung fehlt ihm noch: Bei seinen bisherigen NBA-Meisterschaften wurde jeweils nicht er, sondern einer seiner Teamkollegen zum wertvollsten Spieler der Finalserie gekürt - eine wichtige individuelle Ehrung im US-Basketball. Sollten sich die Golden State Warriors gegen Boston durchsetzen, führt an Curry in diesem Jahr wohl kein Weg vorbei.

Das dürfte auch sein Trainer Steve Kerr so sehen. Der wurde in einem kurzen Interview nach dem ersten Viertel von Spiel vier auf dem Parkett gefragt, was denn der Grund für den starken Auftritt von Stephen Curry sei. Kerr grinste die Reporterin an und sagte: "Er ist wirklich gut im Basketball."

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