Süddeutsche Zeitung

Mesut Özil:Daumen im Mund

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Von Johannes Kirchmeier

Auf dem Fußballplatz ist Mesut Özil glücklich, das war er schon als Steppke in Gelsenkirchen. Und das ist er noch heute mit 29, wenn er mit seinem Verein FC Arsenal auf Welttournee geht und in Singapur gegen Paris St. Germain antritt - beim International Champions Cup, bei dem die Trainer eigentlich vorwiegend Jung- und Ersatzspieler aufstellen und durchwechseln.

Trotzdem lautete die gute Nachricht am Samstag: Özil spielte eine Woche nach seinem mit Rassismusvorwürfen flankierten Rücktritt aus der Nationalelf wieder Fußball. Er lief sogar als Kapitän auf beim 5:1 von Arsenal gegen PSG. Sein Arbeitgeber stärkte ihm demonstrativ den Rücken - und Kollege Pierre-Emerick Aubameyang legte ihm auch noch den Ball so fein vor, dass Özil das 1:0 (13.) erzielen durfte.

Er lief danach glücklich über den Platz und steckte sich beim Torjubel den Daumen in den Mund. Vor dem Spiel gab Özil dem Schiedsrichter ein Autogramm auf dessen gelbe Karte. Sein Klub sah eine "Mesut-Mania" und der neue Trainer, Unai Emery, lobte den Spielmacher: "Wir schauen genau auf Mesut und geben ihm Verantwortung. Ich glaube, dass er Verantwortung wie ein Kapitän übernehmen kann."

Der Bundestrainer soll zeitnah ein Telefonat mit Özil planen

Während in Deutschland die Debatte um Mesut Özil und seine drei Depeschen zum Rücktritt weiter schwelt, scheint der Spieler selbst dieser langsam entschweben zu wollen. Doch nach dem Paris-Spiel wurden weitere Details zu seiner Affäre um die Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Mai bekannt.

Der Mobilfunkkonzern Vodafone bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, ein bereits produziertes Werbevideo und Fotos mit Özil und dessen Hund Balboa vor der WM gestoppt zu haben. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hatte zuerst darüber berichtet. Nach den Erdoğan-Bildern Özils sah sich das Unternehmen zum Umdenken gezwungen: "Mit der Kampagne hätten wir in der massiven Diskussion im Netz mit unserer Botschaft nicht mehr durchdringen können", so ein Sprecher.

In seiner auf Englisch verfassten Rücktrittserklärung hatte Özil auch Rassismusvorwürfe geäußert; der Deutsche Fußball-Bund und DFB-Präsident Reinhard Grindel wiesen diese klar zurück. Angeblich sollen Bundestrainer Jogi Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff bisher keinen Kontakt zum Weltmeister von 2014 gehabt haben - es soll jedoch zeitnah ein Telefonat mit Özil geben.

Löws Berater Harun Arslan führte aus, dass dies geschehen solle, sobald der Bundestrainer seine Analyse über den Fall abgeschlossen und über Konsequenzen entschieden habe. Zudem kritisierte Arslan Özil in der Bild am Sonntag wegen dessen Rassismusvorwürfen: "Herr Grindel mag in der Affäre Fehler gemacht haben, wie alle Beteiligten. Aber er ist kein Rassist. Mit dieser Aussage ist Mesut klar über das Ziel hinausgeschossen." Arslan, der mit Özils Londoner Berater Erkut Sögüt kooperiert, stellte zudem klar, dass er "ausschließlich der Manager von Jogi Löw" sei und mit den Spielern Özil und Ilkay Gündogan "so gesehen nichts zu tun" habe.

"Er ist naiv, berechnend - oder fremdgesteuert", sagt Fredi Bobic

Harsch äußerte sich auch Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic in der gleichen Zeitung: Özil habe sich "wahrlich nicht als Teamplayer erwiesen. Ich finde das ein bisschen feige. Er hätte irgendwo ein Interview geben können", habe es aber "vorgezogen, über seine sozialen Netzwerke eine schriftliche Erklärung abzugeben - in englischer Sprache". Das Erdoğan-Bild sei ein Fehler gewesen: "Ein Spieler, der so lange im Geschäft ist, 29 Jahre alt und Weltmeister, muss wissen, was das für Auswirkungen hat", sagte Bobic: "Wenn er das nicht weiß, ist er entweder total naiv - das kann ich mir bei ihm nicht vorstellen - oder es ist berechnend und er wollte provozieren. Oder er ist fremdgesteuert."

Özil selbst hat sich in Singapur nicht dazu geäußert. Er hinterließ stattdessen eine Twitter-Botschaft: "Ich bin stolz, heute Kapitän gewesen zu sein. Es war ein guter Sieg und wieder eine fantastische Unterstützung hier."

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SZ vom 30.07.2018
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