Süddeutsche Zeitung

FC Barcelona:Messis Abschied trifft Spaniens Liga hart

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Darf der Argentinier ablösefrei gehen? In beispielloser Weise springt der Ligaverband in der Frage dem FC Barcelona bei - und dokumentiert damit die Verzweiflung des spanischen Fußballs.

Von Javier Cáceres

Die neue Ära des FC Barcelona beginnt an diesem Montag - ohne Lionel Messi. Fünf Tage nachdem der weltbekannte Fußballprofi schriftlich hinterlegt hatte, den Verein nach 20 Jahren sofort und ablösefrei verlassen zu wollen, blieb er am Sonntag dem Corona-Test fern. Er darf daher am Montag nicht am ersten Mannschaftstraining unter dem neuen Trainer Ronald Koeman teilnehmen.

Das könnte man als kleine Meldung aus dem manchmal irre aufgeheizten Geschäft Profifußball abtun. Allerdings ist auf schicksalhafte Weise der gesamte spanische Fußball mit dem Gerangel um den argentinischen Star verknüpft - und damit auch ein Teil der Kultur Spaniens. Im Kleinen dürfte Messis Absenz arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Unentschuldigtes Fehlen wird üblicherweise mit Geldstrafen geahndet, die Messi bei einem 50-Millionen-Euro-Nettogehalt verschmerzen dürfte. Auf der Makroebene aber löst der Schritt endgültig den Kampf zwischen Messi einerseits sowie dem Klub und Spaniens Liga LFP andererseits aus, in dem es darum geht, millionenschwere Einnahmeverluste abzuwenden.

Barça hatte im letzten Jahr eine Schallmauer durchbrochen. Als erster Fußballverein der Welt veranschlagten die Katalanen Saisoneinnahmen von mehr als einer Milliarde Euro. Schon vor dem Beben, das Messi mit seiner Abschiedsankündigung auslöste, war klar: Barça würde dieses Ziel verfehlen, die Corona-Krise reißt ein 200 Millionen Euro großes Loch. Wegen der Geisterspiele fehlen die Ticketeinnahmen; das klubeigene Museum, das besser besucht ist als die Picasso-Pinakothek im Gotischen Viertel, ist geschlossen; die Merchandising-Läden, in denen Messi-Trikots ein Verkaufsschlager sind, waren lange zu. Nun kommt die Frage hinzu: Was ist die Marke Barça ohne Messi wert? Im Juni 2021 laufen die Trikotwerbeverträge aus, die Barcelona jährlich 64 Millionen Euro einbringen.

Ein Abschied Messis würde die Attraktivität der Liga weiter mindern

Auch Spaniens Ligaverband LFP, in dem alle Profiklubs des Landes organisiert sind, würde ein Abschied Messis hart treffen. Zuletzt hatte die LFP ihre Einnahmen aus dem Verkauf von TV-Rechten allein im Ausland auf fast 900 Millionen Euro jährlich gesteigert - nicht zuletzt wegen des global beachteten Duells zwischen Messi und dessen Widerpart Cristiano Ronaldo. Zusammen potenzierten sie den faszinierenden, von Politik durchtränkten Dualismus zwischen Barça und Real Madrid. Ronaldo ging bereits 2018 von Madrid zu Juventus Turin; ein Abschied Messis würde die Attraktivität der Liga nun weiter mindern. Und das erklärt, warum sich die LFP am Sonntag in beispielloser Weise positionierte. Denn die LFP widersprach der Interpretation Messis, wonach er gratis gehen dürfe.

Der Fußballer beruft sich auf eine Klausel, nach der er ablösefrei wechseln dürfe, wenn er in einem bestimmten Zeitfenster mitteilt, dass er gehen will. Der Klub argumentiert, die Frist dafür sei am 10. Juni erloschen; nun greife die Ablösesumme von 700 Millionen Euro. Die LFP sprang Barça bei. Sie erklärte am Sonntag nach Durchsicht des Vertrages, sie würde Messi eine vorläufige Spielgenehmigung für das nichtspanische Ausland verweigern. Ob das juristisch haltbar ist, bleibt abzuwarten. Die Verzweiflung des spanischen Fußballs zeigt es allemal.

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SZ vom 31.08.2020
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